Es sind Geschichten vom Dazwischen, die der alte Banyanbaum erzählt. Solche, die sich dort abspielen, wo die indische an die eurasische Platte stößt, wo Kultur auf Kultur und Sprache auf Sprache trifft. Er selbst hat sie von den Winden erfahren, die ihn umwehen und ihm die drei Generationen umfassende Geschichte der Familie von Abbayi zutragen.
Mythologisch aufgeladen und voll magischer Bilder ist die raffinierte Konstruktion des Romans "Das ewige Rauschen" des deutsch-indischen Philosophen und Journalisten Krisha Kops. Der lässt sich unschwer mit Abbayi, dem Sohn der Ostdeutschen Marlis und des Inders Ramu, identifizieren.
Doch nicht nur der indischen Verwandtschaft, auch seiner Großmutter Loni aus Deutschland, die vom Italiener Primo geschwängert wurde, und deren Familie sind einzelne Kapitel gewidmet, die unter so poetischen Namen wie "Butterbrotwind" oder "Rosenstraußduellwind" neugierig machen. Der Stammbaum im Innencover hilft bei der Orientierung, die man bei den häufigen Zeit- und Ortssprüngen leicht verlieren könnte: "Obwohl ich den Winden böse sein will, weil sie die Chronik der Geschichten durcheinanderwirbeln, verzeihe ich ihnen, zumal sie mich daran erinnern, dass die Zeit ohnehin nur ein Zyklus ist, unendlich in sich verschlungen wie meine Wurzeln" denkt sich der Banyanbaum.
Verwurzelt fühlt sich Abbayi in beiden Welten, auch wenn sein Vater Ramu, die eigentliche Hauptfigur des Romans, kaum für ihn da ist: Ramu ist ein intelligenter Charmeur, der als Student in Deutschland sein Glück macht und viele Frauen verletzt. Er wird reich, genießt Champagner und Rolls-Royce – und verliert doch alles.
Buchtipp: Krisha Kops. Das ewige Rauschen.
Arche, 288 Seiten, 22,70 Euro.
Karin Waldner-Petutschnig