Das Wetter passt zu dem, was da noch kommen wird: Bauschige Gewitterwolken ziehen auf, der Himmel schwärzt sich ein. Doch die Sonne siegt, der Regen verzieht sich. Trutzig steht die Burg Clam auf der Anhöhe, unten auf der Bühne sind als "Anheizer" der spitzbübische Schmähtandler und authentische Gschichtldrucker Voodoo Jürgens und seine Anserpanier am Werk. "Heite grob ma Tote aus, und dann hören wir den Nick Cave, das passt gut", sagt der Voodoo – und verzieht sich auch lächelnd.

Um Platz zu machen für jenen Mann, der um Punkt 20 Uhr die Bühne betritt, nein, sie von Beginn an voll charismatischer Energie in Beschlag nimmt und dann ein fast dreistündiges Konzert hinlegt, das seinen Status als Ausnahmeerscheinung weiter einzementiert: Nick Cave. "Get ready for Love", brüllt der Mann im schwarzen Anzug in die Menge, die Bad Seeds säen dazu das Klangfeld, Warren Ellis, der zottelige Zeremonienmeister an Gitarre, Geige und elektronischen Wunderinstrumenten, führt Soundregie.

Rauschhafte Gospelmesse

Von Beginn weg sucht Cave offensiv die Nähe zu den Menschen, die unmittelbare Berührung, wirft sich immer wieder in die ausgestreckten Arme des Publikums. In den ersten Reihen wird der 64-Jährige, der gerne als Fürst der Finsternis etikettiert wird, mit einer etwas verstörenden Hysterie wie der Messias gefeiert, der das Heil bringen soll, das er doch selbst so verzweifelt sucht. Das rauschhafte Zelebrieren erinnert zuweilen an eine Gospelmesse, an das Hochamt eines gottesskeptischen Wanderpredigers.

Atemlos taumelt Cave in dieses Konzert hinein, erst später wird es ruhiger. "There goes my beautiful World", ein ekstatisches "From here to Eternity", die Intensität dieser Präsenz ist schier unfassbar. Cave betritt die "Jubilee Street", torkelt tobend nach "Tupelo", der todbringende "Mercy Seat" wartet, immer wieder nimmt er Vollbäder in der Menge, setzt sich zwischendurch ans Klavier. "Waiting for you" schmiegt sich in die Nacht hinein. Das Klagelied für den verstorbenen Sohn, erst unlängst hat Cave einen zweiten verloren. Dieser Mann, der so viel vom Schmerz singt, hat so viel davon am eigenen Leib erfahren. Ein mögliches Therapeutikum: "Into my arms".

Das Wetter hält, das Hochamt neigt sich dem Ende zu. "Can you feel my Heartbeat", fragt Cave immer wieder. Bumm-bumm-bumm. Ja, man konnte den Herzschlag spüren. Vom alttestamentarischen Donnergrollen bis zum Hohelied der Liebe, all das steckt in dieser Musik. Zorn, Anklage, Schuld, Versöhnung, Zweifel, Gottessuche, Sehnsucht nach Erlösung, Selbstfindung und -erkenntnis. "Tender Prey" heißt ein Cave-Album aus dem Jahr 1988. Zarte Beute. Das trifft es gut.