An der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (MDW) soll es laut mehrerer Studierenden zu Übergriffen, Beleidigungen und Sexismus gekommen sein. Die Betroffenen erheben Vorwürfe gegen die Filmakademie, das Max-Reinhardt-Seminar, das Institut für Gesang und Musiktheater und das Institut für Komposition, Elektroakustik und Ausbildung zur Tonmeisterin oder zum Tonmeister. Die wenigsten Interviewten wollen namentlich genannt werden, aber alle konkreten Vorwürfe wurden in eidesstattlichen Erklärungen festgehalten, berichtete "Der Standard" am Freitag.
Chatnachrichten des Klavierlehrers, Einladungen zum Weintrinken und zu Übernachtungen und ein Griff in den Schritt. "Mehrmals hat er mich gefragt, ob ich mit ihm auf Urlaub fahre. Ich war schon skeptisch, fand es lästig, aber hatte auch Schuldgefühle, dass ich ihm antworten muss", erzählt ein junger Mann, der damals, im Jahr 2019, Komposition studierte.
Er übergab den Chatverlauf an eine Vertrauensperson und stellte klar, dass er diese Nachrichten für eine Grenzüberschreitung hielt. Den Griff in den Schritt aber meldete er "aus Scham" nicht. Als die Institutsleitung von dem Sachverhalt erfuhr, teilte sie ihm einen neuen Lehrer zu. An dessen Unterricht nahm er nicht mehr teil, sondern brach das Studium ab.
#MeToo-Debatte auf Social Media
Regisseurin Katharina Mückstein stieß im Juni durch ein Social-Media-Posting eine #MeToo-Debatte an, wodurch einige Fälle in der Filmakademie, die zur MDW gehört, ans Licht kamen. Die Rektorin Ulrike Sych wehrte ab: Sie wisse, zumindest was die Filmakademie betrifft, von keinen aktuellen Vorwürfen.
Laut eigener Angabe liegen dem "Standard" zahlreiche Berichte von Studierenden aus den Jahren 2018 bis 2022 vor, die ein anderes Bild zeichnen. Aber in der Studentenschaft herrscht ein gewisses Misstrauen gegenüber der Beschwerdestelle: "Ich habe mich während meines Studiums bewusst entschieden, mich dort nicht hinzuwenden", sagt die Regiestudentin Lehner. "Es ist eher so, dass man das Gefühl hat, man gefährdet das eigene Studium."
Übergriffe auch unter den Studierenden
Ungewollte Berührungen, Mobbing und öffentliches Vorführen – auch das sei zwei Studentinnen des Reinhardt-Seminars passiert. Ein Studienkollege habe sie belästigt, ungewollt berührt, die andere gemobbt und öffentlich vorgeführt. Letztere beschwerte sich im Dezember 2020 bei der Gleichbehandlungsstelle. Zwei Monate später erhielt sie die Rückmeldung, dass noch immer ein Gesprächstermin mit ihm gesucht werde. Schließlich zog sie die Beschwerde im Frühjahr zurück. "Ich hatte irgendwann Angst, weil das alles so lang in der Luft lag", berichtete sie dem "Standard".
Regisseurin Mückstein, die den Stein ins Rollen gebracht hat, berichtet von eigenen Erfahrungen. Bei ihrem Studienbeginn verkündete Peter Mayer, langjähriger Institutsleiter der Filmakademie, in einer Rede: "Wir sind Elite." 2006 wurde sie Opfer eines Übergriffs durch Mayer, was zum Abbruch ihres Studiums beitrug. Sie wollte Anzeige erstatten, aber habe seitens des Instituts oder des Lehrpersonals keine Unterstützung erhalten.
Junge Menschen werden erst einmal "gebrochen", berichten zwei Studentinnen, die vor wenigen Jahren an der Filmakademie ihr Studium gestartet haben. Ihnen wurde am Anfang klargemacht, dass sie "im Laufe ihres Studiums alle Freundinnen verlieren würden und Beziehungen enden würden", heißt es weiter.