Völlig losgelöst
Der Park des E-Werk Franz in Gösting ist ein unbekanntes Stück halb gezähmter Natur. Mit seinen großen alten Bäumen und dem kleinen Teich bietet er die ideale Kulisse für das Hexenbild, das Follow the Rabbit in „Fear the Women in the Dark“ zeichnen, oder besser: in wilden Pinselstrichen auf die nachtschwarze Leinwand malen: Unter der Regie von Simon Windisch und in Kollaboration mit Lisa Horvath (Ausstattung) und Robert Lepenik (Musik) stellen sie Hexen als Frauen vor, die völlig losgelöst von kulturellen Zwängen ihre eigene mit der sie umgebenden Natur verweben. Tanz, Gesang (Jutta Panzenböck) und Akrobatik sowie ein verschmitzt vorgetragener Märchentext (Sprecher: Martin Brachvogel) lassen Sex und Magie, Lust und Schabernack in eins fallen und erzählen auf phantastischen Wegen von ganz realen Sehnsüchten und Ängsten. Die alte (Nadja Brachvogel), die erwachsene (Maja Karolina Franke) und die junge (Antonia Orendi) Hexe knüpfen einen roten Faden vom sexuell selbstbestimmten Frau-Sein bis zur Zumutung der Vergänglichkeit. Und während der Park langsam in der Nacht versinkt, mischen sich Lisa Horvaths aufblasbare Bühnenkunstwerke ins Geschehen und entführen auf die dunkle Seite des Mondes. Gang großes Kino! HG
Fear the Women in the Dark, noch am 3. und 4.8., 21 Uhr. Park beim E-Werk Franz, Graz Gösting, www.lastrada.at
Danny vs. Pepijn
Allein seinetwegen zählen viele seit Jahrzehnten zum „La Strada“-Stammpublikum: Danny Ronaldo und sein Circus. Im Zelt im Grazer Augarten entspinnt sich unterm Titel „Sono io“ diesmal ein Generationskonflikt. Der verläuft nicht weniger ungestüm als im wirklichen Leben, ist aber viel, viel lustiger. Denn hier kommt es, zwischen der sechsten und der siebenten Generation italienisch-belgischer Zirkusgrößen, zum Duell zwischen Danny und seinem Sohn Pepijn – nicht zuletzt, weil der Herr Papa, auch wenn längst die Gelenke krachen, alle seine einstigen Zirkusgroßtaten auspackt. Es folgten: Balanceakte auf Pianino, Badewanne und schwebendem Kontrabass, un düberhaupt ein Feuerwerk an Clownerie, Akrobatik, Livemusik und Zirkuspoesie, die das Publikum zu Jubelstürmen hinreißt – und am Ende, bei einer leisen Übergabe der Manege, fast zu Tränen rührt. Merke: Witz mit einer Prise Melancholie ergibt erst richtig großen Zirkus. Das Vergnügen sollte noch für viele Generationen reichen. UB
Sono io. Circus Ronaldo, Graz, Augarten. Noch bis 6. 8., 20.30 Uhr. www.lastrada.at
Spiel für jeden Tag
Am Anfang gibt‘s Kirtag, mit Glücksrad und Dosenwerfen. Bloß, dass sich dabei kein Talmi gewinnen lässt, dafür aber jede Menge Einsichten über die Welthaltungen, die man mit sich herumträgt: Wie steht man nun wirklich zu den Menschen, die man als „die anderen“ wahrnimmt? Welche Zuschreibungen löst der Anblick eines beliebigen Gegenübers aus, welche Grenzziehungen hat man im Leben bereits vorgenommen? Und wie lassen sie sich überwinden? In partizipativen Performances untersucht der italienische Künstler Matteo Lanfranchi mit seiner Gruppe „Effetto Larsen“ das ungeschriebene Regelwerk sozialen Verhaltens. Bei „La Strada“ hat er sich nun in einem jahresüberschreitenden Projekt des Thema Vorurteile angenommen. Und führt derzeit grüppchenweise Neugierige auf einen Abenteuerparcours, der vom Augarten in einen Veranstaltungskeller und retour führt – aber auch in eine konzentrierte Selbstbefragung: Welche Stereotypen trägt man mit sich herum, welche Konflikte wagt oder scheut man, wo endet das eigene soziale Verhalten? Oder, wie in einem Gruppenspiel ausprobiert: Ist mir Treue in der Beziehung wichtig? Soll Österreich Waffen an die Ukraine liefern? Gehe ich zu Menschen mit sichtbaren Hautkrankheiten auf Distanz? Solche Entscheidungen zu treffen sei, sagt Lanfranchi, „ein Spiel, das wir jeden Tag spielen.“ Am Ende gibt es ein Picknick und die Möglichkeit, die Menschen, mit denen man soeben zwei Stunden verbracht hat, näher kennen zu lernen. Und tatsächlich, bald sind alle in Gespräche vertieft; so ist das also, wenn man sich als soziales Wesen neu entdeckt.
The Fair of Others. Effetto Larsen, Graz, Augarten. Bis 6. 8., aktuell ausgebucht.