Während der Ukraine-Krieg mit unverminderter Heftigkeit tobt und westliche Sanktionen die wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte des Westens zu Russland stark reduziert haben, wird morgen, Mittwoch, eine "Don Giovanni"-Inszenierung des "Jedermann"-Regisseurs Michael Sturminger im Moskauer Bolschoi Theater gezeigt. "Als diese Vereinbarung im Herbst geschlossen wurde, haben wir uns sehr gefreut. Da war die Situation natürlich eine ganz andere", sagt Sturminger zur APA.
Der österreichische Regisseur hat seine Inszenierung im Vorjahr beim Dmitri Hvorostovsky Festival in Krasnoyarsk herausgebracht. Im Februar habe er sofort seine Mitwirkung an Wiederaufnahmeproben in Krasnoyarsk wie auch seine dort für Herbst geplante Neuproduktion einer "Boheme" abgesagt. Auch in Moskau, wo man ihn nun gerne bei den Proben für das Gastspiel gesehen hätte, habe er sofort klar gemacht, dass er sicher nicht kommen werde: "Das kommt nicht infrage. Ich will damit nichts zu tun haben!"
Hat er etwa auch überlegt, seinen Namen von der Produktion zurückzuziehen? "Die Produktion funktioniert ganz ohne mich, teilweise mit Zweitbesetzungen. Ich habe nichts mehr damit zu tun und weiß auch nicht, welche rechtlichen Möglichkeiten ich überhaupt hätte. Ich fände es nicht angebracht, mich wichtig zu machen. Ich bin natürlich den Menschen, mit denen ich gearbeitet habe, verbunden. Ich habe keinen Grund anzunehmen, dass die mit dem Krieg in irgendeiner Form sympathisieren. Ich finde es absurd, wie wichtig sich jetzt manche Leute im Westen machen, die nicht wissen, wie es ist, in einer Diktatur zu leben. Ich bin nicht der Feind der Russen. Ich bin der Feind der Feinde der Demokratie. Dieser Unterschied ist sehr wichtig. Beginnen auch wir nationalistisch zu argumentieren, machen wir genau das, was man von uns will."
2009 bis 2013 hat Sturminger auch mit Valery Gergiev am Mariinsky Theater zusammengearbeitet. Kann er sich vorstellen, dass Gergiev, der für sein Naheverhältnis zu Putin derzeit im Westen geächtet wird, wieder in den globalen Klassik-Betrieb zurückkehrt? "Ich halte das derzeit für nicht beantwortbar. Wenn man etwa an die rasche Rehabilitation von Leuten wir Karl Böhm oder Herbert von Karajan nach der NS-Zeit denkt, ist einiges möglich. Gergiev hat vom System profitiert und ist sicher ein macht- und karrierebewusster Mensch - aber er hätte nun wohl ebenso in den Westen gehen können. Ich denke, er hat aber auch eine Verantwortung dem Mariinsky Theater gegenüber verspürt. Sein Leben hat sich nun sicher grundlegend geändert. Die letzten 25 Jahre hat er auf der ganzen Welt verbracht, und jetzt ist er nur in Russland. Das ist sicher nicht das, was er sich gewünscht hat."
In Salzburg, wo heute die Festspiele offiziell eröffnet werden, ist das Programm vor einer Woche mit der Wiederaufnahme-Premiere seiner "Jedermann"-Inszenierung gestartet. Ist Michael Sturminger mit dem Ergebnis der 14-tägigen Wiederaufnahmeproben und der Aufnahme des Resultats bei Kritik und Publikum zufrieden? "Es ist überwiegend sehr gut angekommen, und ich bin sehr zufrieden. Ich habe noch kleine Striche gemacht, dadurch ist es stringenter geworden. Jetzt bin ich sehr glücklich damit. Allerdings wissen wir schon seit einem dreiviertel Jahr, dass es für Lars Eidinger die letzte Saison sein wird." Wird es auch Michael Sturmingers letzte Saison als "Jedermann"-Regisseur gewesen sein? Dazu hält sich Sturminger bedeckt: "Darüber darf ich noch nichts sagen."