Es ist ein Festival in den Zeiten des Krieges: Dementsprechend angespannt ist auch die Stimmung. Um 11 Uhr wurden die Salzburger Festspiele eröffnet.
In der Felsenreitschule wurde das Festival vom Mozarteumorchester Salzburg eröffnet: mit der österreichischen Bundeshymne. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen war zugegen und hielt seine Grußworte: "Putin führt einen imperialistisch geprägten Krieg." Der Bundespräsident fand scharfe Worte für den Angriffskrieg von Putin in der Ukraine: "Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass Putin sich damit zufriedengeben würde? Jetzt die Sanktionen zu beenden, zurückzuweichen, würde bedeuten, das Recht des Stärkeren zu akzeptieren."
"Der Ton des Krieges, die Tonarten des Friedens", überschrieb Ilija Trojanow seine Rede. Trojanow spricht auch vom russischen Dirigenten Valery Gergiev: "Der Mann, der den Taktstock schwingt, beweist sich als Großgrundgewinner." Das Ass im Ärmel dieses Dirigenten sei sein eigener Wohltätigkeitsfonds. "Wissen Sie, was Kunst ist. Es ist die seltene Gelegenheit, ihr Handy auszumachen", sagt Trojanow und erntet dafür Applaus. Er spricht Kriegsverbrechen an, im Ersten Weltkrieg. "Am 12. August 1914 marschieren 200.000 österreichisch-ungarische Soldaten siegessicher über die Drina und die Save in Serbien ein und stoßen auf erbitterten Widerstand. (...) Die Soldaten vernichten Dörfer, hinterlassen verbrannte Erde, vergewaltigen Frauen, exekutieren Männer."
Aber Trojanow spricht auch die Verbindungen von Kunst und Geld und Macht an: "Nur wer glaubt, es wäre akzeptabel, die Sparkasse zu überfallen, um Fidelio auf die Bühne zu bringen, kann so tun, als wäre Sponsoring wertneutral. Darf sich die Kunst von mafiös organisierten Konzernen oder von Firmen finanzieren lassen, die brutale Ausbeutung betreiben, von Mensch und Natur?"
"Wenn Wohlstand nur entstehen kann, indem Mitmenschen geknechtet werden und Natur zerstört wird, dann wird es höchste Zeit, das System zu ändern, nicht nur die Sponsoringregeln."
"Grüß Gott, meine sehr geehrten Damen und Herren", sagte Festspielpräsidentin Kristina Hammer gleich zweimal und wartete auf Applaus. Sie sei die "Neue", sagte sie: "Die Festspiele begleiten mich seit meiner Kindheit. (...) Wir können es eröffnen mit Blick auf den Hintergrund, vor dem sie stattfinden." Und sprach damit die Coronapandemie an. Weiters sagte Hammer: "Das gilt auch für den furchtbaren, durch nichts zu rechtfertigenden Krieg." Aber auch Teuerungen und Belastungen der Bevölkerungen kamen in ihrer Rede vor.
"Dürfen wir vor dem Hintergrund all dieser Umstände (...) überhaupt feiern?", stellte sie die Frage. Sind frenetischer Applaus und Freude überhaupt angebracht? "Am Ende bin ich heute überzeugter denn je, wir dürfen nicht nur der Kunst den Platz einräumen. Wir müssen", sagte sie. Man müsse die Kunst sich entfalten lassen.
In der Felsenreitschule anwesend sind Bundespräsident Alexander Van der Bellen, sein Amtsvorgänger Heinz Fischer und dessen Frau Margit, Vizekanzler Werner Kogler und Arbeitsminister Martin Kocher, der frühere EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, das Festspieldirektorium Kristina Hammer, Lukas Crepaz und Markus Hinterhäuser und Schauspiel-Prominenz wie "Jedermann" und "Buhlschaft" Lars Eidinger und Verena Altenberger oder Philipp Hochmair.
"Die Salzburger Festspiele sind trotzig", sagte Landeshauptmann Haslauer und sprach Weltkriege, Vietnamkrieg, Hochwässer und das Leid auf dieser Welt an: "Die Salzburger Festspiele finden statt, trotzdem (...) warum macht es uns heuer so nachdenklich?" Weil es ja Kriege, Hunger und Katastrophen immer und zu jeder Zeit gegeben hatte. Haslauers Antwort: "Hat Kunstkritik überhaupt noch Platz? Wenn es über so viel Elend so viel zu berichten gibt (...)." Haslauer erzählt von Valerie, einem Mädchen aus der Ukraine: "Sie will sich ihre Lebensfreude nicht nehmen lassen."
Staatssekretärin Andrea Mayer sagte: "Wir alle haben in den letzten Monaten mit der Frage gerungen, ob es in dieser Zeit angebracht ist, ein Fest der Kunst zu feiern, das Wort "Komödie" in den Mund zu nehmen, das Schöne zu genießen. Die Antwort kann nur sein, dass es Platz geben muss für die Freude am Leben." Kunst sei jenes "gesellschaftliche System, das die Gemeinsamkeit, die uns jetzt in Europa Hoffnung geben kann, immer schon lebt." Mayer sprach aber auch die Freiheit der Kunst an: "Der Respekt vor der Freiheit der Kunst bedeutet aber auch, mit Widersprüchlichkeiten umzugehen, mit anderen Meinungen, mit Entscheidungen, die man selbst vielleicht aus einem anderen Blickwinkel sieht."
Übertragen wird die Eröffnung vom ORF live.