Der Tag der „Jedermann“-Premiere letzten Montag war wohl der Vorgeschmack auf das, was in diesem Sommer erstmals auf sie zukommt: Gedrängel vor dem Domplatz, Paparazzi, die sie zu Repräsentierfotos erst mit Ehemann und Tochter zusammenschieben, dann mit dem Salzburger Bürgermeister und weiterer Lokalprominenz. Und dann muss es auch rasch noch eines mit dem Schauspieler Philipp Hochmair geben, der nach dem angekündigten Abgang von Lars Eidinger nun wieder akut als Titelrollenanwärter anno 2023 gehandelt werden kann.

Es ist der übliche Rummel bei den Salzburger Festspielen, aber eben auch Kristina Hammers erste Saison als Präsidentin. Im November des Vorjahres wurde sie von einer Findungskommission – völlig überraschend – zur Nachfolgerin von Helga Rabl-Stadler gekürt, die dem Festival 27 Jahre lang vorgestanden war. Außenseiterkandidatin Hammer, aus Karlsruhe gebürtig, war bis dahin als Marketingexpertin in der Schweiz tätig, unter anderem für Luxusautos. Eine ausgewiesene Kulturexpertin ist sie also nicht, aber als die galt Rabl-Stadler bei ihrem Antritt anno 1995 genauso wenig. Und Hammer kann immerhin auf eine lange Festspiel-Geschichte verweisen: Schon als Kind sah sie mit ihren Eltern hier Karajan dirigieren und erlebt das Debüt von Anne-Sophie Mutter: Das habe sie geprägt, erzählt sie.

Kristina Hammer mit Ehemann Christoph bei der "Jedermann"-Premierenfeier
Kristina Hammer mit Ehemann Christoph bei der "Jedermann"-Premierenfeier © APA/FRANZ NEUMAYR

Trotz solcher Prägung wird der Job wohl nicht ganz einfach, auch wenn sich die neue Präsidentin jüngst über quasi vorpandemische Vorverkaufsrekorde freuen konnte: Die Karten gehen so zügig weg wie 2019. Offenbar ist der anderswo hörbare Katzenjammer über Besuchsrückgänge in Salzburg kein Thema: Das Festival habe, auch dank des „hervorragenden Präventionskonzepts“ in den beiden Pandemiejahren, sein „Stammpublikum begeistern und halten können“ glaubt Hammer. Tatsächlich ist das Programm der Festspiele, die am Dienstag offiziell eröffnet werden, attraktiv wie eh und je – da strahlen wie gewohnt große Namen: Asmik Grigorian, Cecilia Bartoli, Piotr Beczala, Teodor Currentzis, Romeo Castellucci, Shirin Neshat und viele mehr.

Streit um Künstlerengagements, Sponsoringverträge

Also alles eitel Wonne für Kristina Hammer? Wohl noch nicht ganz. Auch wenn der Verkauf gut läuft: Ob das internationale Publikum auch jenseits der deutschen Nachbarn wieder dauerhaft zurück an die Salzach findet, muss sich erst weisen. Streit gab es nicht nur um die Engagements von Künstlerinnen und Künstlern, die sich in Sachen russischer Angriffskrieg auf die Ukraine nicht (oder nicht eindeutig genug) geäußert haben. Auch wegen Sponsoringverträgen mit Unternehmen wie dem Schweizer Solway-Konzern (mittlerweile unter einigem Getöse beendet) und Kooperationen mit angeblich russland-affinen Firmen flackert immer wieder öffentliche Kritik auf. Das Sponsorennetzwerk zu erneuern, dürfte für die international gut vernetzte Neo-Präsidentin mit Marketing-Expertise keine große Schwierigkeit darstellen. Aber als Präsidentin muss Hammer natürlich auch die politischen Subventionsgeber für das traditionsreiche Festival einnehmen. Immerhin gilt es für die sechs Festspielwochen und gut 200 Opern-, Theater- und Konzertveranstaltungen ein Budget von 65,5 Millionen Euro zu halten. Dabei spürt das Festival die Preiserhöhungen rundum recht deutlich: „Nicht nur die Steigerung der Energiekosten trifft uns hart, ebenso trifft uns die allgemeine Inflation“, macht sich Hammer Sorgen. Um dem Publikum dennoch entgegenzukommen, „verkaufen wir fast 50 Prozent unserer Karten zwischen 5 und 115 Euro und haben uns heuer bewusst keine Preiserhöhung vorgenommen.“

Solche Beteuerungen muss man natürlich in Relation sehen: Noch verfügbare Opernkarten in der besten Kategorie kosten etwa für „Herzog Blaubart“, „Il trittico“, „Die Zauberflöte“, „Aida“ 455 Euro. Im dreiköpfigen Direktorium arbeitet die neue Präsidentin mit Finanzdirektor Lukas Crepaz und dem künstlerischen Intendanten Markus Hinterhäuser jedenfalls gut zusammen, glaubt sie: „Wir haben eine klare Aufgabenteilung und einen guten Weg gefunden, die gemeinsame Entscheidungsfindung auf eine offene Art und Weise zu betreiben“, sagte sie jüngst in einem Interview mit der Austria Presse Agentur.

Hinterhäusers erste Zwischenbilanz klingt da etwa verhaltener. „Ich glaube, wir brauchen alle noch ein bisschen Zeit“, stellte der Intendant, der in die Bestellung der neuen Präsidentin nicht eingebunden war, unlängst fest: „27 Jahre Präsidentschaft von Helga Rabl-Stadler, die wirklich großartig war, kann man nicht von einem Tag auf den anderen ganz leicht bewältigen. Niemand kann das. Das Neue braucht Zeit, sich einzuspielen, Zeit für ein gemeinsames Selbstverständnis.“ Rabl-Stadlers Ära war nicht zuletzt von legendären Scharmützeln zwischen ihr und den Intendanten Gerard Mortier und Alexander Pereira geprägt. Wie sich das Verhältnis zwischen Hammer und Hinterhäuser entwickelt, scheint noch recht offen. Beider Verträge laufen bis 2026, da werden sie sich jedenfalls zusammenraufen müssen. Auch im Dienste eines übergeordneten Mega-Projekts: In Salzburg steht die Sanierung der Festspielhäuser an – 300 Millionen Euro sind derzeit dafür veranschlagt. Baubeginn soll 2024, Eröffnung 2030 sein.