Als Kulttruppe ist man wohl zu eigenartigem Verhalten verpflichtet: Die berühmt-berüchtigte Band The Brian Jonestown Massacre – die 1990 ausrückte, um dem Psychedelic-Rock neues Leben einzuhauchen – spielte zum Elevate-Finale im Grazer Orpheum auf. Von der Ur-Besetzung ist nur noch das früher übel beleumundete Gründungsmitglied Anton Newcombe (Drogenexzesse, Schlägereien mit Musikern und Publikum) übrig, der verantwortlich zeichnet für die großartig-verschlurften, aus der Zeit gefallenen Songkaskaden, die irgendwo zwischen The Doors, The Byrds und anderen Westcoast-Hippie-Helden aus den 1960ern oszillieren.
Das Graz-Konzert – perfekt einbegleitet von der Grazer Neo-Psychrock-Formation Jigsaw Beggars – spiegelte gut die DNA der siebenköpfigen Gruppe wider: zwischen grandios und gaga. Die mäandernden Sound-Dröhnungen waren (meist) grenzgenial und entwickelten einen hypnotischen Flow, die ewige Instrumentenstimmerei und die grantigen Ansagen der Musiker hingegen waren grenzwertig bis ärgerlich. Und wenn Joel Gion, der durch seinen Auftritt in „Gilmore Girls“ eine gewisse Berühmtheit erlangte, sein Tamburin in die Luft schleudert, sollte er es auch wieder auffangen können – konnte er aber nicht.
Newcombe, das muffige Mastermind, wurde gegen Ende des Konzertes geradezu leutselig und stieg spontan in den Saal, um einen Zuschauer in der ersten Reihe zu umarmen. Den letzten Song musste die Band – der Name ist übrigens eine Mischung aus dem bewunderten Stones-Gitarristen Brian Jones und einem Massenselbstmord innerhalb der Jim-Jones-Sekte im Jahr 1978 – schuldig bleiben: Am Schuss gab der Bassverstärker den Geist auf. Auf so etwas hätte Newcombe früher nicht so gelassen reagiert wie in Graz.
Von Sophia Kennedy über Anika und Alyona Alyona bis hin zur überragenden Peaches: Im Musikprogramm waren es in der diesjährigen Festival-Ausgabe vor allem die Auftritte weiblicher Künstlerinnen, die begeistert haben. Dass das Elevate zur Hälfte Frauen einlädt – übrigens noch immer als eines von ganz wenigen Festivals in Österreich – ist weit mehr als symbolisch, sondern auch qualitativ ein ganz großes Plus.
Auch die Veranstalter selbst bilanzieren positiv: Die Entscheidung, zum zweiten Mal einen Sommertermin zu wählen, sei wieder eine gute gewesen. Und: „Mit dem Heimatsaal als neue Diskurs-Location samt Brunch waren nicht nur wir sehr zufrieden, sondern auch die internationalen Gäste“, sagt Bernhard Steirer vom Elevate-Team. Mit der Orangerie im Burggarten feierte am Sonntagnachmittag ein zweiter neuer Ort seine Premiere. Trotzdem wird die Ausgabe 2023 aller Voraussicht nach im Frühjahr stattfinden: 1. bis 5. März.