Wer weder Fernseher noch Radio hat, konnte bisher Sendungen des ORF kostenlos über das Internet anschauen oder hören. Dass man für Formel 1, Zeit im Bild, "Dancing Stars" und "Tatort" kein Programmentgelt bezahlen muss, ist aber verfassungswidrig. Das erkannte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Montag. Die Aufhebung tritt mit Ende 2023 in Kraft, ab 1. Jänner 2024 ist also eine Neuregelung des ORF-Gesetzes erforderlich. Spätestens dann werden auch alle, die den ORF nur online empfangen, zur Kasse gebeten.

Konkret argumentierten die Verfassungsrichterinnen und -richter, dass die Finanzierung über das Programmentgelt die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichert. Dabei dürfe eine wesentliche Gruppe – jene, die das Programm nur über das Internet empfangen – nicht ausgenommen werden, ansonsten würde sich die Finanzierungslast ungleich verteilen, so das Höchstgericht.

Ab 2024 gezwungenermaßen mehr GIS-Zahlende

"Geht der Gesetzgeber in Wahrnehmung seiner Finanzierungsverantwortung für den ORF von einer Finanzierung über ein Programmentgelt aus, dann darf er im Hinblick auf die Vorgaben des BVG Rundfunk nicht ein für die Rundfunkordnung insgesamt wesentliches Nutzungsverhalten von dieser Finanzierungspflicht ausnehmen", stellt der VfGH fest. 

Die sogenannte "Streaminglücke" bereitet dem ORF Sorgen, machen Gebühreneinnahmen doch rund zwei Drittel des ca. eine Milliarde Euro schweren ORF-Umsatzes aus. ORF-Generaldirektor Roland Weißmann richtete erst vor wenigen Monaten eine Taskforce ein, die sich mit Motivsuche für GIS-Abmeldungen befasst und eruiert, wie die Zahl der Gebührenzahler gesteigert werden kann.

Nun muss der Gesetzgeber eine neue Regelung treffen. Unklar ist, wie diese aussieht: Eine Möglichkeit wäre eine Haushaltsabgabe nach deutschem Vorbild. Dabei zahlt jeder Haushalt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – unabhängig davon, ob er diesen auch empfangen kann oder nicht. Aber auch eine Bezahlschranke auf Online-Auftritte des ORF dürfte den Anforderungen des VfGH Genüge tun.

Naturgemäß positiv begrüßt der ORF die Entscheidung des VfGH in einem Statement. Mit dem Spruch würde man einer sich ändernden Mediennutzung und technischen Weiterentwicklung Rechnung tragen: „Damit wird ermöglicht, dass die ORF-Angebote in Zukunft von allen Menschen, die sie nutzen können, auch finanziert werden. Die sogenannte 'Streaminglücke' hätte den ORF mittelfristig vor enorme finanzielle Herausforderungen gestellt. Der Einnahmenentgang wäre jedes Jahr um zusätzliche fünf bis sechs Millionen Euro angestiegen.“

Neos und Grüne für Haushaltsabgabe

Bleibt das ORF-Angebot in derzeitiger Form bestehen, werden also künftig mehr Menschen in Österreich für die Angebote des ORF bezahlen müssen. Aktuell fallen 18,59 Euro pro Monat an Programmentgelt an. Zu diesem Betrag kommen noch Gebühren und Abgaben an Bund und Länder sowie eine zu entrichtende Umsatzsteuer hinzu, wobei die Landesabgabe variiert. Die gesamten ORF-Gebühren liegen somit zwischen 22,45 Euro und 28,65 Euro.

Erfreut über den VfGH-Spruch zeigten sich Montag die Neos. "Jetzt führt an der Haushaltsabgabe kein Weg mehr vorbei", meinte Mediensprecherin Henrike Brandstötter in einer Aussendung - was man seit Jahren fordere. Auch die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger betont erneut, dass eine geringere Haushaltsabgabe für alle "die einzig sinnvolle Variante" sei, um die Streaminglücke langfristig zu schließen. Die Grünen hoffen nun "auf ein Umdenken beim Koalitionspartner". Die FPÖ tritt hingegen für eine "gänzliche Abschaffung der GIS-Gebühr für alle Österreicher" ein.

VÖZ mahnt klare Linie ein

Begrüßt wird das Erkenntnis des VfGH auch vom Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ), weil "damit einmal mehr festgehalten wurde, dass das zu entrichtende Programmentgelt und der damit in Zusammenhang stehende Leistungsumfang des digitalen Programmangebots des ORF nicht klar genug geregelt ist." Der VÖZ kritisiert: "Bereits heute ist die Zeitungsähnlichkeit des digitalen Angebots untersagt. Eine Bestimmung, die aufgrund der Praxis des ORF zum toten Recht verkommt. Gerade vor dem Hintergrund des Erkenntnisses braucht es im Sinne eines gesunden Wettbewerbs künftig eine klare Abgrenzung zum Angebot privater Medienhäuser verlegerischer Herkunft." Der VÖZ sieht einen "Wettbewerbsvorteil" des ORF durch 700 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln. Die "Schieflage" drohe "durch die bevorstehende ORF-Novelle endgültig zu kippen".