Es gibt Konzerte, da wartet man auf den einen großen Hit oder auch einen zweiten Lieblingssong. Bei Sarah Connor in der Messe Graz zählten "Vincent" und "Wie schön du bist" zwar zu den Höhepunkten des Abends, aber schon der Opener "Hör auf deinen Bauch" mit seinen Zeilen "Steh auf – Geh raus – Sing laut – Von den Dächern der Stadt" brachte Energie in die rundherum unschöne Freiluftarena und eine begeisterte Stimmung ins Publikum. Im ersten Song war klar: Diese Band ist eine Wucht, mit sechs Backgroundstimmen hat Sarah einen fantastischen Chor auf der Tour dabei. Und die deutsche Popkönigin selbst überzeugt mit ihrer kräftigen Soul-Stimme, die strahlt und auch sehr zart sein kann. Live hatte alles noch mehr Kraft, Blut und Dynamik.
"Alles in mir will zu dir" ist herrlich funky, sexy und groovy; Connor kann es sich auch leisten, "Whatta Man" von Salt 'N' Pepa zu covern, das ist ihre Liga. Aus ihrer englischsprachigen Zeit fehlten zwar einige Ohrwürmer, aber "Music is the Key" und "From Zero to Hero" bewiesen einmal mehr, dass dieser Liveact auch in Las Vegas bestehen würde. Mit "Unter alten Jacken", "Bye Bye", "Bedingungslos" und "Ich wünsch dir" seien nur vier weitere Höhepunkte erwähnt, auch der Sound und das visuelle Bühnenkonzept überzeugten voll und ganz.
Immer wieder wandte sich die 41-Jährige zwischen den Songs an ihr Publikum, scherzte, wurde aber auch kritisch. Sie sehe es als ihre Verantwortung an, Haltung zu beziehen und Botschaften zu senden. So fordert sie vor "Ruiniert" auf, für unsere Freiheit und demokratischen Werte zu kämpfen. "Alle Bomben, Panzer und Despoten und AfD-Idioten, mein Herz kriegt ihr nicht", heißt es in dem Lied, das sie gemeinsam mit Peter Plate (Ex-Rosenstolz) geschrieben hat und ruft auf: "Warum halten wir nicht zusammen und reichen uns die Hand? Und fangen was Neues an? Bisschen mehr als jeder kann . . . Ich bin mir sicher, der Versuch würde sich lohnen. Was hat uns so ruiniert? Das Hirn so glatt poliert."
Kühlen musste sie sich mehrmals vor der Windmaschine, denn sie gab alles. Man spürte die Freude auf der Bühne und im Publikum. "Ich genieße gerade jede Minute, egal wo und egal vor wie vielen! Hauptsache wieder raus und mit echten Menschen in Resonanz gehen", hatte Sarah Connor vor dem Konzert im Interview mit der Kleinen Zeitung erklärt. "Ich will mit meinen Gästen feiern, lachen, singen, weinen und tanzen! Jeder Abend ist gerade etwas Besonderes, weil es für viele Menschen das erste Konzert nach der Pandemie ist und man die Erleichterung und die Euphorie spürt", schwärmt die Sängerin.
Konnte sie aus den Lockdowns auch etwas Positives mitnehmen, eine Entschleunigung etwa? "Ich hatte, wie wir wohl alle, Ups und Downs", sagt Connor. "Die Zeit zu Hause mit meinen Kindern war toll. Aber mir ist es schon sehr nahe gegangen, dass öffentlich immer wieder gesagt wurde, dass Livemusik, Kunst und Unterhaltung nicht systemrelevant seien. Gerade in schweren Zeiten braucht die Seele doch etwas Ablenkung und Leichtigkeit. Ich bin unendlich dankbar, dass das wieder möglich ist. Es gab Momente, da dachte ich, das würde ich nie wieder erleben."