WhatsApp-Dialoge, Videoanrufe und "Merch", also Produkte der eigenen Marke, die auf Instagram – natürlich mit Rabattcode – verkauft werden: Das klingt grundsätzlich eher nicht nach den Leiden eines jungen Mannes namens Werther, ist aber seine Realität. Zumindest, wenn man nach dem Theaterstück des Jungen Theaters Klagenfurt geht, das den Briefroman Goethes in die heutige Zeit gebracht hat und Werther zum Influencer werden ließ.
Manch einer könnte denken, die Farbwahl auf der Bühne aus Gelb und Blau würde auf die Ukrainekrise anspielen, doch sind diese Farben die, die Werther auch im Buch begleiten. Aber statt blauem Frack und gelber Weste trägt der Werther von heute blaue Sweatpants und ein gelbes T-Shirt.

Und trotz moderner Einflüsse wurde sprachlich passend die Zeit von damals eingebunden: "Was red’ ich eigentlich für einen Schas?", fragt sich der Koks-schnupfende Werther etwa, als er seinem Freund Wilhelm von seiner geliebten Lotte in Goethes Originalsprache erzählt. Dann aber bleibt er dabei, durchmischt mit "Oida"-Ausrufen und "cringem", also peinlichem Verhalten sowie der Aufforderung Wilhelms, sein Kumpel solle doch runterkommen und "endlich mal chillen, oida".
Die Kombination aus klassisch und modern ergibt ein Stück, das zum Lachen bringt, aber der Handlung auch bewusst nicht die Schwere und Tragweite eines Suizides nimmt. Und das ist gut so. Clemens Janout, der das Solostück mit einer beeindruckenden Intensität auf die Bühne bringt, kann die irre Verzweiflung des Verliebten und das dennoch vorhandene Bedürfnis nach Aufmerksamkeit – auch Fremden im Internet gegenüber – wunderbar in Einklang bringen.

Der Beginn mag ob der Influencer-Exaltiertheit befremdlich wirken, doch als Ganzes betrachtet, ist es eine sehenswerte Vorführung. Ideal, um dem jüngeren Publikum einen Klassiker näherzubringen, aber auch für nicht mehr ganz junge Zuseher ein Erlebnis.