Einfach nur das Meer, die Sonne, ein paar Cocktails: Zur Halbzeit des Festivals sehnsuchtsvoll auf die exklusiven Riesen-Jachten schauen, die in der Bucht von Cannes vor sich hintreiben. Gegen solche festivaleskapistischen Gedanken kam nun mit Ruben Östlunds "Triangle of Sadness" das perfekte Gegengift – und ein Höhepunkt des Wettbewerbs. Nachdem der schwedische Regisseur für "The Square", seiner galligen Satire auf die Kunstszene 2017 die Goldene Palme gewann, folgt nun eine treffsichere Gesellschaftssatire, die sich eben auf einer solchen Yacht abspielt, auf der sich superreiche Gäste für eine exklusive Kreuzfahrt zusammengefunden haben.
"Wir sind alle gleich", ruft die von Sunnyi Melles gespielte Gattin eines millionenschweren Düngemittelproduzenten völlig wirklichkeitsfremd, als sie die hilflosen Bediensteten auffordert, auch zu baden und Champagner zu trinken. Natürlich sind sie es nicht, denn im Gegensatz zu den abhängigen Bediensteten mit schmalem Gehalt sind die Gäste (darunter auch Iris Berben) an Bord so obszön reich, dass ihre dekadente und champagnerselige Verkommenheit nur mit dem giftigen Humor zu ertragen ist, mit dem der Film das alles auseinandernimmt.
Bis es dazu kommt, teilt "Triangle of Sadness" aber erst mal in andere Richtungen aus: gegen das Männermodelbusiness oder die herkömmliche Rollenverteilung bei Männern und Frauen. Schließlich aber kommt er zum Punkt, wenn die Yacht mit Woody Harrelson als gleichgültigem, marxistischem Kapitän in See sticht und beim eleganten Kapitänsdinner durch einen heftigen Sturm alles aus den Fugen gerät. Da übergibt sich die feine Gesellschaft im Strahl auf die Haute-Cuisine. Toiletten laufen über. Das elitäre Grüppchen der Abgehobenen kriecht auf dem wild schaukelnden Boden, bevor das Schiff nach einem Piratenüberfall tags darauf gleich ganz untergeht und sich nur wenige Überlebende auf eine Insel retten können.
Konzentriert in diesem Kreuzfahrtkosmos, unterbreitet einem Östlund dabei zugespitzt seine Gedanken über die Natur des Menschen, über Gier und Macht und ungerechte Verteilung des Wohlstands. Mit messerscharfen Beobachtungen nimmt er Geschlechterrollen und patriarchale Machtverhältnisse auseinander und streut dazwischen immer wieder kleine Subversionen ein, wenn da etwa im Kreuzfahrtparadies am Pool einfach nur dauerhaft eine Fliege um ein junges Model- und Influencerpaar herumsurrt.
Subtil geht der Regisseur nicht vor. Im Gegenteil: Er feuert hier aus vollen Rohren und mit klarer Botschaft gegen die himmelschreienden Ungerechtigkeiten dieser Welt, in der wenige viel und viele sehr wenig haben. Wer weiß, vielleicht bringt ihm das ja auch sogar schon wieder die Goldene Palme ein.
Sascha Rettig