Was wirklich los war, erfährt man erst zum Schluss. Bis dahin entwickelt sich die Geschichte rund um „Die Eistaucher“, eine Gruppe von Jugendlichen an einer katholischen Privatschule, in zwei gegenläufigen Erzählsträngen. Der Countdown beginnt mit dem als 9 übertitelten ersten Kapitel, in dem der erwachsene Saša die sich konsequent zuspitzenden Geschehnisse im Rückblick aufrollt.
Im zweiten Erzählstrang in der Gegenrichtung lernt man die Skaterin Iga kennen, eine mathematisch hochbegabte notorische Schulschwänzerin, die schöne Jess und den pummeligen Rasputin, genannt Ras, zu dem gelegentlich eine Stimme „aus dem Nichts heraus“ spricht.
Auch sonst geht es manchmal recht fantasy-mäßig zu: Ein wachsender Müllhaufen, den nur er sieht, begleitet Ras, ein unheimliches Etwas treibt bei Saša im Wald sein Unwesen, und Igas Longboard könnte eine Zeitmaschine sein: „Man spürt das Unrecht nicht, bis man es begeht, und danach ist es zu spät, außer man ist im Besitz eines Longboards, mit dem man durch die Zeit reisen und versuchen kann, Dinge zu reparieren.
Queere Gemeinschaft
Man denkt: Nein, so wollten wir es nicht. Es soll anders enden.“ Wie sich das drohende Unheil verdichtet, die Lebenswelt der queeren Gemeinschaft ersteht und wie nebenbei gesellschaftliche und ethische Fragen verhandelt werden, ist zärtlich und packend, poetisch und politisch zugleich.
Nach ihrem viel beachteten Debüt „Roter Affe“ gelingt Kaśka Bryla, zwischen Wien und Warschau aufgewachsen, auch mit diesem Plädoyer für Liebe und Freundschaft, Solidarität und Wahrhaftigkeit ein kluges, kunstvolles Buch, das man bis zur letzten Seite nur schwer aus der Hand legen kann.
Buchtipp: Kaśka Bryla. Die Eistaucher.
Residenz Verlag, 320 Seiten, 25 Euro.
Karin Waldner-Petutschnig