Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am Dienstag eine überraschende Ansprache bei der Eröffnungsfeier der Filmfestspiele von Cannes gehalten. In seiner per Video in den Saal übertragenen Rede rief er die Filmbranche auf, sich politisch gegen Hass und autoritäre Herrscher zu engagieren. Das Festival hatte zuvor mit vielen Stars und der Zombie-Komödie "Final Cut!" von Michel Hazavanicius begonnen.
Selenskyj spielte auf Charlie Chaplins Filmklassiker "Der große Diktator" an und sagte: "Am Ende wird der Hass verschwinden und die Diktatoren werden sterben". Chaplins im Jahr 1940 uraufgeführtes Werk gilt bis heute als besonders wirkmächtige Satire gegen Adolf Hitler.
"Wir brauchen einen neuen Chaplin um zu beweisen, dass die Filmwelt nicht stumm ist", sagte Selenskyj weiter. Mit Blick auf den russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine fragte er: "Wird die Filmwelt still bleiben oder wird sie die Stimme erheben?" Das Publikum quittierte seine Rede mit stehenden Ovationen.
Zuvor hatten zur Eröffnung der Festspiele der französische Jury-Präsident Vincent Lindon, die deutsche Schauspielerin Emilia Schüle, US-Model Eva Longoria und die spanische Schauspielerin Rossy De Palma bei sommerlichen Temperaturen in Cannes auf dem roten Teppich vor den Fotografen posiert.
Großes Staraufgebot in Cannes
Mit der Zombiekomödie "Coupez!" des französischen Regisseurs Michel Hazanavicius (54) feierte man den Auftakt.
Bis 28. Mai rittern 21 Filme um die begehrten Palmen, darunter neue Werke von Größen wie David Cronenberg oder Jean-Pierre (70) und Luc Dardenne (68). Unübersehbar ist die "Top Gun"-Installation vor dem Grand Hôtel. Der riesige Fliegerhelm weist auf eine der meist erwarteten Vorführungen des Festivas hin: Mittwochabend wird "Top Gun: Maverick" mit Tom Cruise (59) präsentiert – die Fortführung des Kultstreifens von 1986. Auch schon eingetroffen ist Oscar-Preisträger Forest Whitaker (60). Er erhält dieses Jahr die Goldene Ehrenpalme und präsentiert den von ihm produzierten Film "For the Sake of Peace". Er handelt von Menschen, die sich im Südsudan für Frieden einsetzen.
Oscar-Preisträger Forest Whitaker läutete am Dienstag den Promi-Reigen an der Côte d'Azur ein. Er präsentierte den von ihm produzierten Film "For the Sake of Peace" über die politische Situation im Südsudan – und stellte damit ein ernstes Thema zur Diskussion. Auch in der Pressekonferenz zur Eröffnung wurden politische Töne angeschlagen.
Immer wieder wurde in der Vergangenheit etwa der mangelnde Anteil von Regisseurinnen auf dem Filmfestival kritisiert. Darauf angesprochen sagte am Dienstag die britische Regisseurin und Schauspielerin Rebecca Hall – dieses Jahr Teil der Cannes-Jury –, sie sehe noch keine Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und Minderheiten in der Filmindustrie. "Ich glaube, wir haben Fortschritte gemacht", sagte die 40-Jährige. "Aber es ist noch nicht geschafft." Sie glaube, Gleichberechtigung zu schaffen, sei "ein laufender Prozess" – beim Filmfestival in Cannes, aber auch in der Szene insgesamt.
Hall ist eins von neun Jurymitgliedern, die über die Vergabe der Goldenen Palme, Hauptpreis des Filmfestivals in Cannes, entscheiden. Auch der US-amerikanische Regisseur und Drehbuchautor Jeff Nichols gehört dazu. Er sagte, er rechne damit, dass Themen wie etwa die Perspektiven von Minderheiten eine Rolle bei den Diskussionen der Jury spielen würden.
Ein Weg zu mehr Diversität sei, sich Filme mit entsprechenden Themen vorzunehmen und dann Gelder dafür zu sammeln, sagte Whitaker. Er erhält beim diesjährigen Filmfestival die Goldene Ehrenpalme. Sein am Dienstag in Cannes gezeigter Film "For the Sake of Peace" folgt zwei Menschen, die sich im Südsudan für Frieden einsetzen. "Der Südsudan ist der jüngste Staat der Welt, der sich im Krieg mit sich selbst befindet, mit mehr als 350.000 getöteten Menschen seit seiner Gründung im Jahr 2011", heißt es in der Beschreibung zum Film. Im Land herrscht Gewalt, oft zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen, die häufig in tödlichen Angriffen endet. Eine der Hauptfiguren des Films ist eine junge Frau, die versucht, zwischen zwei verfeindeten Gruppen Frieden herzustellen.
Am Freitag feiert dann Marie Kreutzers Sisi-Drama "Corsage" in der renommierten Reihe "Un certain regard" seine Weltpremiere. Im internationalen Wettbewerb ist heuer kein österreichischer Film vertreten. Über die Palmen-Vergabe entscheidet in der kommenden Woche eine Jury, der heuer der französische Schauspieler Vincent Lindon vorsteht. An seiner Seite sind etwa die schwedische Mimin Noomi Rapace oder der norwegische Filmemacher Joachim Trier.