Das Optische ist spannender als das Gesagte bei diesem Zusammentreffen in der berühmten Finca auf Ibiza. Dorthin hatte Puls 4/24 den ehemaligen FPÖ-Vizekanzler eingeladen, und dieser sagte für den Sender durchaus überraschend, wie es heißt, zu.
Zu sehen ist am Dienstag ab 20.15 Uhr auf Puls 24 ein Mann, der zum Ort jenes Albtraums zurückkehrt, den er so erfolgreich verdrängt hat, dass er ihn kaum wiedererkennt: „Das ist nicht das Wohnzimmer, in dem wir waren.“ Doch, war es, Herr Strache. Das kann gefühlt jeder in Österreich bestätigen. Diese Finca ist seit dem 17. Mai 2019 Allgemeingut, eine Exklave auf den Balearen.
Da ist es also wieder, das muffige Wohnzimmer. Corinna Milborn auf dem Platz von Johann Gudenus, Heinz-Christian Strache dort, wo er schon 2017 stundenlang saß. Sein freudloses Dauerlächeln hier, Milborns wahlweise atmosphärische und konkrete Interviewfragen dort. Der Ex-Vizekanzler bereut seinen Rücktritt als Parteichef („ein Fehler“), spricht nur vom „Fall“, sieht ein „politisches Attentat“, glaubt sich betrogen und redet sich auf Gudenus raus. Selbstkritik oder Unrechtsbewusstsein? Fehlanzeige. Statt das Video als einen Beweis für Korruption zu sehen, interpretiert Strache es als Beleg seiner Unschuld. Anspielungen für das Zuschanzen öffentlicher Bauaufträge, sollte die Oligarchin eine Baufirma gründen; Geschäfte mit dem österreichischen Wasser; illegale Parteispenden. Jeder einzelne Punkt wird von Strache als Missverständnis und Intrige ausgelegt.
Konterkariert wird das Interview durch ein Gespräch mit Ibiza-Detektiv Julian Hessenthaler, der vom Gefängnis aus erklärt, wie er die Finca-Falle konstruierte und wie leichtfertig Strache und Gudenus hineintorkelten. Ausgerechnet die Zehennägel der Schauspielerin hätten Strache skeptisch werden lassen, wundert sich Hessenthaler noch heute über Strache, den er als Fußfetischisten bezeichnet. Die falsche Oligarchin sei im Nachhinein übrigens sehr irritiert über die Fußpflege-Kritik des damaligen FPÖ-Parteiobmanns gewesen. Sarkastisch bemerkt Hessenthaler abschließend, dass er wenigstens nicht auf Kosten der Steuerzahler gelebt habe, er "genieße" nun bloß "auf Kosten der Republik eine fragwürdige Haft." Die Villa, die sie eigentlich mieten wollten, hätte 10.000 Euro gekostet – Geld, das sie nicht mehr aufbringen konnten. Stattdessen mietete man die günstigere und erfand die Geschichte, die Strache und Gudenus bereitwillig glaubten.
Und so mäandert die Sendung durch die Themen des Videos, das die österreichische Innenpolitik veränderte. Im Hintergrund die Frage, was wäre, wenn die türkisblaue Regierung nicht implodiert wäre? Sie wäre womöglich noch heute im Amt, die Legislaturperiode dauerte noch an: mit Innenminister Herbert Kickl oder Außenministerin Karin Kneissl. Stattdessen sagte Sebastian Kurz "genug ist genug" und Bundespräsident Alexander Van der Bellen "so sind wir nicht". Der Rest ist Politikgeschichte.
Puls 24 darf sich freuen: Mit dem Ex-FPÖ-Chef nach Ibiza zu reisen, das ist ein beachtlicher Coup, und ein unterhaltsamer noch dazu.