Die digitale Pressemappe von Kerosin95, musikschaffende Person mit steirischen Wurzeln, ist mit einem Begleitschreiben versehen. „Genderneutrale Sprache“ lautet der Dateiname. Die Bitte ist unmissverständlich und selbstbewusst formuliert: Der Rap-Act akzeptiere in der deutschen Sprache weder genderspezifische noch strikt binäre Pronomen (sie/er, ihres/seines) im Satzbau.
Natürlich wäre dieser Umstand nicht weiter erwähnenswert. Im Falle der Transperson Kerosin ist er das aber. Denn Kem Kolleritsch, so der bürgerliche Name, ist nach einem viel beachteten Debüt nun mit einer Agenda zurück. Passend nennt sich die neue EP „Trans Agenda Dynastie“. Es ist eine Schlachtlieder-Sammlung wider das Patriarchat und eine dunkle Dystopie für jeden reaktionären weißen Mann geworden. Vor allem aber markieren die fünf Songs eine kleine Revolution im Deutschrap-Kosmos.
Kerosin, bekannt als Viertel der Indie-Rock-Band My Ugly Clementine, entwirft auf „Trans Agenda Dynastie“ eine kämpferische Gegenthese zum kategorischen Maskulinum. Was du nicht willst, dass Mann dir tut ...? Auf zartes Indie-Substrat und melancholische Seelenschau verzichtet Kerosin vollständig. Aber auch auf augenzwinkerndes Self-Empowerment.
„Wir sind keine Dunkelziffer“ oder „Du darfst Cis-Männchen machen, geh wieder auf dein’ Platz“, rappt Kem zwischen Hyperpop und harten Rap-Bandagen, die dennoch zu starken Popgesten ausholen.
Die Methode lautet: Bekämpfe Feuer mit Feuer. Aggression mit Aggression. Festgefahrene Strukturen mit einer neuen Dynastie. Kerosin ist Brandbeschleuniger. Aber auf verbrannter Erde lässt sich eine reiche Ernte einfahren.
Album-Tipp: Kerosin95. Trans Agenda Dynastie (Ink Music).