Mit ihrem Grund und Boden ist Maria Pacher tief verwurzelt. Die Bergbäuerin aus dem Mölltal (Kärnten) atmet Landluft seitdem sich ihre Lungen zum ersten Mal mit Sauerstoff füllten: "Da hat die Mutter am Tag Erdäpfel gegraben", erzählt sie und zeigt auf eine Stelle in ihrem Garten. "Und am Abend bin ich dann auf die Welt gekommen." Ihr Hof ist für sie vieles - allen voran ein Lebensprojekt, das Nichte Julia irgendwann übernehmen soll. Doch Vater Josef Pacher ist skeptisch: "Ganz ehrlich, einem Jungen kannst du nicht raten weiterzumachen, weil es ist fast nicht zumutbar", sagt er. "Zusperren wäre die Alternative. Ich glaube sogar, die bessere." Warum noch Bauer sein – gerade heute? Die Entbehrungen groß, der Ertrag klein.
Was sich hingegen lohnt, sei ein "ein schöner freier Bergblick" erzählt eine Immobilienmaklerin aus Garmisch-Partenkirchen ein paar Szenen weiter. Kostenpunkt für das Betongold: zehntausend Euro pro Quadratmeter. Geld, das auch an anderen Orten eine Rolle spielt - auf der Skipiste zum Beispiel. "Eine verkaufte Sozialwohnung ist der Gegenwert einer Schneekanone", fasst der pensionierte Förster Axel Doering während einem in der Nähe der Zugspitze der Schnee unter den Skiern davon schmilzt - Klimawandel sei Dank. Denn im Schatten des Hochgebirges gerät der Lebensraum von 13 Millionen Menschen unter Druck. Denn Vlies-Abdeckungen verhindern nicht das Verschwinden von Gletschern.
Ein Sehnsuchtsraum in Gefahr
Es ist ein sanftes, aber kluges Porträt einer einzigartigen Region samt ihren Bewohnerinnen und Bewohnern, das Regisseur Robert Schabus mit "Alpenland" gelungen ist. Darin zeigt er die Kehrseite von Massentourismus und Wachstum um jeden Preis. Während die einen selig auf ihren Seilbahnen schaukeln, wird das Leben andernorts immer beschwerlicher. Arbeitsplätze gehen verloren, Wohnraum wird unleistbar, Dörfer sterben aus. Der freie Markt regelt, aber nicht gerecht.
Doch es gibt auch jene, die weitermachen: Fausto Rizzi, ein Messerhersteller aus Premana (Italien) zum Beispiel. An seiner Heimat hält er fest: "Es ist nur ein Dorf, aber das Dorf, in dem ich geboren und aufgewachsen bin", sagt er und stellt trotz aller Widrigkeiten klar: "Ich werde bis zum Schluss darum kämpfen, hierbleiben zu können."
Gerne länger darf auch "Alpenland" von Robert Schabus bleiben. Umrahmt von wunderbaren Naturaufnahmen ist sein Film vor allem eines: unmissverständliche Kapitalismuskritik, die dabei hilft, den Blick auf das Immerdagewesene nachzujustieren. Hochpolitisch, unbequem und sehr nah am Schicksal der Menschen. Das ist eine Empfehlung!
"Alpenland" feierte auf der Diagonale seine Premiere und ist ab sofort in den österreichischen Kinos.
Katrin Fischer