Gipi: Eine Geschichte
Der italienische Autor und Zeichner Gipi dringt hier tief in die Psyche des Alterns, des Krieges, des Verlassenwerdens ein und schafft eine Poesie des Sich-Verlierens.
„Eine Geschichte“ ist vielleicht das, was Gilles Deleuze und Félix Guattari mit Rhizom meinten: „Seid nicht eins oder viele, seid Vielheiten.“ Mäandernd, in sich verschachtelt, wieder ausufernd wird hier die Geschichte des Schriftstellers Silvano Landi erzählt, der, verlassen von Frau und Kind, in der Psychiatrie landet. Gipi erzählt weder geradlinig noch versucht er, sich zu erklären: Im Rückspiegel tauchen die Front-Erzählungen von Urgroßvater Mauro auf, die immer wieder den Psychiatrie-Alltag von Silvano überlagern. Die Ängste gleichen sich dabei an: die Angst vor dem Tod im Schützengraben oder die Angst vor der Außenwelt. Und immer wieder tauchen Bäume auf, als steckten sie verkehrt herum in der Erde, was „uns“ – Gipi verwendet immer wieder, wenn die Psychiater Landi ansprechen, den menschenverachtenden „Pflege-Plural“ – zum Rhizom führt. Den eingangs erwähnten Philosophen Deleuze und Guttari ging es mit dem Begriff auch um eine neue Weltbeschreibung: „Das Buch ist kein Wurzel-Baum, sondern Teil eines Rhizoms.“ Ein „Rhizom kennt keine Punkte“. Bei Gipi ist alles „Eine Geschichte“, nicht linear, sondern ein Geflecht, das durch die mythisch-übergroße und metaphernhafte Bildsprache Vielheit erlangt. Genial!
Mutiges Rude Girl
Die deutsche Comic-Künstlerin Birgit Weyhe erzählt hier nicht nur die Lebensgeschichte von Priscilla Layne, einer afroamerikanischen Germanistik-Professorin, sondern macht ihre eigene Vermeidung von kultureller Aneignung selbst zum Thema von „Rude Girl“: Eine verkopfte Geschichte, die dennoch überraschend gut als Erzählung klappt. Immer wieder wird eine Metaebene eingezogen, in der Priscilla Layne die Darstellung ihrer Geschichte kommentiert. Emotional und höchst lehrreich – funktioniert auch als Sachbuch über kulturelle Aneignung.
Wenn die Geister lachen
Es geht eine große Sogwirkung von der Graphic Novel „Phantasmen“ aus, die durch großflächige, traumhafte Zeichnungen glänzt. Jurek Malottke hat einen Roman des deutschen Autors Kai Meyer adaptiert: Eine dystopische Zukunft, in der die beiden Schwestern Emma und Rain nach Nairobi fahren, um die Geister ihrer beim Absturz von Flug IB259 gestorbenen Eltern zu finden. Denn: Überall auf der Welt erscheinen die Geister der Toten. Wehe nur, wenn sie lachen! Rasant erzählt und gruselig.
Jugendlicher Widerstand
Schnee fällt und wortlos wird ein Notar denunziert. Kurz darauf wird die Familie des Notars festgenommen, weil sie angeblich jüdisch ist. Die Geschichte der drei Jugendlichen Françoise, Lisa und Eusèbe, die in einem französischen Dorf Widerstand gegen die Besatzungsmacht Nazi-Deutschlands leisten, wird in diesem vierten Teil von „Die Kinder der Résistance“ erzählerisch hervorragend fortgesetzt: Benoît Ers (Zeichnungen) und Vincent Dugomier (Story) sind Meister ihres Faches. Ein Bestseller in Frankreich.