Die Geschwindigkeit, mit der Plattenfirmen neue Opernstars – vornehmlich junge Frauen – ausrufen, ist schwindelerregend: Die Gesetze des Marktes waren früher zwar auch nicht gerade menschen- und kunstfreundlich, aber das Karussell dreht sich so schnell, dass viele wieder abgeworfen werden.
Den Namen von Nadine Sierra wird man sich aber wohl merken müssen: Die 34-Jährige aus Fort Lauderdale gilt als heiße Aktie: Sie trat in der Mailänder Scala als Gilda („Rigoletto“) in Erscheinung, in André Hellers „Rosenkavalier“-Inszenierung in Berlin als Sophie, in New York als Traviata und Lucia di Lammermoor. Partien, die sie jetzt auf ihrem Album „Made for Opera“ (erschienen bei der Deutschen Grammophon) zu Gehör bringt. Zu Traviata und Lucia kommt noch Charles Gounods Juliette. Sierra singt diese lyrischen Partien mit wunderbarer Virtuosität und Leichtigkeit. Die Stimme ist von großer Schönheit, weil das Timbre eine dunkle Note hat. Und was Sierra in den höchsten Lagen aufführt, ist atemberaubend.
In der Tradition von Sutherland und Caballé
Nachdem Anna Netrebko ihre Karriere gerade selbst zu Grabe trägt, wäre Sierra eine Nachfolgerin? Mitnichten. Sierra ist ein völlig anderer Stimmtyp, eine Virtuosin, die eher in der Tradition von (allerdings unerreichbaren) Nachtigallen wie Joan Sutherland und Monserrat Caballé steht.
Dass die Amerikanerin für die Oper gemacht ist, belegt die häufig kolportierte Anekdote, dass sie schon im Alter von sechs Jahren dem Operngesang verfallen sei. „Schuld“ war eine Videokassette mit Puccinis „La Bohème“. Dass Neigung und Talent für den Beruf nicht ausreichen müssen, weiß Sierra aus ihrer Familiengeschichte: Ihre portugiesische Oma wäre auch gern Sängerin geworden, der Ehemann hat es ihr aber verboten.