Neun Bewerbungen waren wie berichtet eingelangt, nach den Hearings Anfang der Woche hatte die sechsköpfige Findungskommission nur eine einzige Empfehlung: Ekaterina Degot, seit 2018 Intendantin des steirischen herbst, soll das Festival auch in den Jahren 2023 bis 2027 leiten. Am Donnerstag wurde dieses allseits erwartete Votum nun offiziell bestätigt.

Die russische Kunsthistorikerin und Kuratorin stehe „für wegweisende, transdisziplinäre Projekte, die in unserer Zeit der globalen Transformationen richtungsweisend sind“, hieß es in der Begründung der Kommission, der die herbst-Aufsichtsratsmitglieder Heinz Wietrzyk, Peter Pakesch, Sahar Mohsenzada und Milo Tesselaar sowie die Kuratorin Kathrin Romberg und der Versicherungsspezialist Günther Witamwas angehörten. Darüber hinaus scheine Degot „in der derzeitigen Situation eines Krieges in Europa besonders befähigt zu sein, ein Festival in dieser Zeitenwende in die Zukunft zu führen.“

Dass sie diese Erwartung erfüllen will, stellte Degot, 1958 in Moskau geboren, sogleich klar: „In den traurigen Zeiten wachsenden Nationalismus brauchen wir eine radikale Solidarität miteinander“ legte sie dar; das Festival wolle sie in ihrer zweiten Amtsperiode „noch stärker für alle öffnen.“ Vor allem aber werde der steirische herbst vor dem Hintergrund, dass „der blutige Krieg und das extrem repressive Regime in Belarus und Russland“ für die Welt und das Festival neue Herausforderungen darstellen, „in den kommenden Jahren lernen, eine noch zentralere Rolle auf der sich seit Februar 2022 tragisch verändernden Landkarte des nahen Europas zu spielen“, kündigte sie an.

Das Anliegen ist mit ihrer eigenen Biografie verbunden: „Als jemand, der tatsächlich bereits in einem Kalten Krieg gelebt und darunter gelitten hat, weiß ich sehr genau, was in diesem Moment kulturell und künstlerisch nötig ist.“ Schon im heurigen Programm des Festivals soll sich diese Ausrichtung zeigen, verspricht die alte und neue Intendantin: „Wir wollen etwas über den Krieg sagen. Auf künstlerische, nicht auf journalistische Weise.“ Sie sei bereits im Gespräch mit ukrainischen Künstlerinnen und Künstlern, „aber es ist schwierig, neue Kunst zu kreieren, wenn man im Bunker sitzt.“ Auch „russische antiputinistische Künstler“ hat sie vor, in diesem Jahr zum steirischen herbst zu holen: „Putin selbst nennt sie inzwischen Staatsverräter. Aber wer den faschistischen Charakter des Regimes kritisiert, muss gehört werden.“

Degot ist da jedenfalls d’accord mit den Interessen der Kulturpolitiker, die letztlich über ihre Wiederbestellung entschieden haben: Er bewundere Degots politische Haltung und „den Anspruch, dass Kunst den Mund aufmachen muss“, sagte der Grazer Kulturstadtrat Günter Riegler (VP). Kulturlandesrat Christopher Drexler (VP) beschwor gar Degots Anspruch „mit Kunst Hoffnung zu geben“. Ein solches Motiv gewinne „in einer Zeit, die uns aus dem trügerischem Traum immerwährenden Friedens in Europa gerissen hat“, besondere Aktualität. „Und auch, wenn sie nicht immer als die kommunikationsfreundlichste Intendantin wahrgenommen wird“, so Drexler, sei Degots Empathie und Motivation spürbar, „Zeitläufte zu reflektieren und Menschen wachzurütteln.“

Künftig wohl auch mit mehr Budget: „Wenn wir die Intention des Festivals ernstnehmen, müssen wir zumindest die Inflation abgelten“, kündigte Drexler an. Auch Stadtpolitiker Riegler ist in punkto Subventionsaufstockung „zuversichtlich“. Aktuell liegt das Gesamtbudget des Festivals bei rund vier Millionen Euro.