Der Verleger KlausWagenbach ist tot. Er starb am Freitag in Berlin im Alter von 91 Jahren, wie sein Verlag am Montag mitteilte. Er sei gestorben "begleitet von seiner Familie und umgeben von seinen Büchern", hieß es. "Seinem Lebensmotto entsprechend werden wir seinen Verlag weiterführen: 'Gewonnen kann durch Trübseligkeit nie etwas werden.'"

Der in Berlin geborene Wagenbach begann 1949 eine Lehre beim damals noch vereinten Verlag Suhrkamp/Fischer. Der Schriftsteller Frank Kafka wurde zur großen Leidenschaft, Wagenbach promovierte über den Autor. Der Kauf von Fischer durch Holtzbrinck brachte einschneidende Konsequenzen: Die neuen Chefs kündigten Wagenbach, nachdem er sich bei der Staatsanwaltschaft über die Verhaftung eines DDR-Verlegers während der Buchmesse beschwert hatte. Wagenbach mochte solche "Kurven in der Biografie", wie er es nannte. Befreundete Autoren prophezeiten ihm, mit seinen Standpunkten bei keinem Verlag unterzukommen.

1964 gründete er seinen eigenen Verlag in West-Berlin. Das frühe Verlagsmotto "Geschichtsbewusstsein, Anarchie, Hedonismus" war Hinweis auf Wagenbachs Welt und die Kämpfe der jungen Demokratie gegen Verdrängung der NS-Vergangenheit, dumpfen Konservatismus, lähmendes Spießertum. Wirtschaftlich war es nicht leicht. Das Verlegen bezeichnete er als Antwort auf die Aufgabe, erfolgreich ein konkursreifes Unternehmen zu führen. Die Bank sperrte den Kredit.

"Die ersten Titel blieben den bekannteren Autoren vorbehalten, beginnend mit den Erinnerungen von Kurt Wolff, gefolgt von Prosabüchern Christoph Meckels und Johannes Bobrowskis und je einem Buch von Günter Grass, Hans Werner Richter und Ingeborg Bachmann, die sich gerne an diesem Projekt eines alternativen Verlags beteiligten", erinnerte sich Wagenbach später. "Die Drahtharfe" von Wolf Biermann war das erfolgreichste Buch des ersten Jahres, "aber es kam dem Verlag teuer zu stehen", so Wagenbach. Der spätere DDR-Vize-Kulturminister Klaus Höpcke riet ihm, von Biermann zu lassen. Wagenbach lehnte ab. Die Folge: Ein- und Durchreiseverbot, kaum Chancen auf weitere DDR-Autoren, zerplatzt der Traum vom grenzüberschreitenden Verlag. Auch Biermann selbst sollte Wagenbach noch enttäuschen: 1976 in den Westen ausgebürgert, suchte sich der Dissident einen größeren Verlag.

Wagenbach stand für eine Kultur der Einmischung und des demokratischen Streits. Er galt als Prototyp des politischen Verlegers der 68er Bewegung. Die Szene ging im Verlag ein und aus. Immer wieder gab es Hausdurchsuchungen, Prozesse, Verurteilungen. Wagenbach sah sich selbst als den meistangeklagten noch lebenden deutschen Verleger. Der Jurist an seiner Seite hieß Otto Schily, der spätere RAF-Anwalt und noch spätere deutsche Bundesinnenminister. Dem "Spiegel" sagte er zu Kontakten in den Untergrund: "Vor allem Ulrike Meinhof war mir nahe, aber ich habe nie verstanden, wie sie auf diesen Weg geraten ist." Wagenbach veröffentlichte Texte der späteren RAF-Terroristin, hielt die Rede an ihrem Grab.

Er stand auch für aufwendig gemachte Bücher, sie sollten "hundert Jahre halten", sagte er. "Der unabhängige Verlag für wilde Leser" - so die spätere Eigensicht - brachte mit Hans Magnus Enzensberger das "Kursbuch" und später den "Freibeuter" heraus. Michel Houellebecq war Wagenbach zu kalt. "Die Ausweitung der Kampfzone" brachte der Verlag, "Elementarteilchen" wurde abgelehnt. 2002 übernahm Susanne Schüssler den Verlag, Wagenbachs dritte Ehefrau.