Familiäre „Häuser“ sind im Film selten brav-harmonische Angelegenheiten. Egal ob es sich dabei um das Kartenhaus von Präsident und Präsidentin Underwood in „House of Cards“ oder um die Famiglia Corleone in „Der Pate“ handelt. „House of Gucci“ ist inspiriert von der recht argen „wahren Geschichte“ der Modedynastie.
Man mag sich die Armada von Anwälten gar nicht vorstellen, die die legistischen Feinheiten dieses Projekts verhandeln durften. Jurist ist auch Maurizio Gucci, der Erbe der in die Jahre gekommenen Edelmodemarke in Milan 1978. Zunächst wirkt er wie einst Michael Corleone auf der Hochzeit in „Der Pate“: Unwillig, sich die Hände im Familienunternehmen schmutzig zu machen. Doch als er auf einer Disco-Party Patrizia trifft, beweist sie sofort den Zug zur Macht, den er vermissen lässt. Patrizia ist der eigentliche Michael Corleone in dieser Geschichte. Als Frau in einem Männer-Business kann sie sich keine Skrupel leisten. Lady Gaga spielt Patrizia mit Gusto, ohne Übertreibung. Adam Driver (diese Woche auch im Musical „Annette“ zu sehen, siehe Bericht rechts), bleibt etwas zu zurückhaltend. Rund um das zunächst recht romantische Power-Paar gruppieren sich Salma Hayek, Jeremy Irons, Jared Leto und der Michael-Corleone-Darsteller von anno dazumal – Al Pacino himself.
Regie-Veteran Ridley Scott weiß dieses Crème-de-la-Crème-Ensemble gut für seine norditalienische Mode-Version des „Paten“ einzusetzen, samt lächerlichem Bruder und Consiglieri, den Beratern der Chefin. Dabei lässt Scott zwar den entscheidenden Schuss Sex-Appeal und Giftigkeit vermissen, wie ihn etwa die ebenfalls wahre, brutale Unterschichts-Geschichte „I, Tonya“ an den Tag legte. Spaß macht der opulent-dekadente zweieinhalbstündige Rundgang durch das „House of Gucci“ aber dennoch.
Marian Wilhelm