Was muss das Kult-Quartett mit den Anfangsbuchstaben der Vornamen noch beweisen? Keine Band außer den Beatles hat so viele Evergreens geschaffen, die am damaligen Puls der Zeit waren und auch heute immer noch aktuelle Chartshits als Stimmungsmacher bei Partys meilenweit schlagen.

Ab heute geht die Reise von ABBA also mit „Voyage“ weiter. Ein Alterswerk voll Sentiment abseits jeglicher Stil-Strömung. Man hört, dass die kreativen Köpfe Benny Andersson und Björn Ulvaeusb seit 1983 vor allem mit ihren Musicals „Chess“, „Kristina fran Duvemala“ und „Hjälp sökes“ (die beiden Letzteren auf Schwedisch) bzw. mit dem folkloristischen Projekt „Benny Anderssons Orkester“ beschäftigt.

Denn „Voyage“ ist mitunter gar kein Pop, man wähnt sich stellenweise in einer Volksliedersammlung aus den Schären. „When You Danced With Me“ könnte etwa die Untermalung eines Midsommer-Fests sein.

ABBA gemeinsam im Stockholmer Studio bei der Arbeit zu "Voyage"
ABBA gemeinsam im Stockholmer Studio bei der Arbeit zu "Voyage" © UNIVERSAL MUSIC

ABBA hätten sich einen jungen Produzenten ins Studio holen können, doch sie wollten – wie immer – für alles selbst verantwortlich sein. Bewusst wurden alle Entwicklungen ignoriert, die seit 1983 in der Popmusik stattgefunden haben.

So hat „Voyage“ neben Folklore-Elementen mit Flöten und Glöckchen auch musicalhafte Züge, die Vorab-Single „I Still Have Faith With You“ mit Fridas warmer, gereifter Stimme ließ es vermuten. Das Weihnachtsstück „Little Things“ ist ein Kinderlied voller Unschuld – man hat zwei Schwestern vor Augen, die es in der warmen Stube hinter Fenstern mit Eisblumen singen. Der Titel bezieht sich auf die kleinen Geschenke in den Socken.

Wie sich Agnethas Stimme im Alter verändert hat, wird besonders bei der berührenden Ballade „I Can Be That Woman“ deutlich; man könnte es als Fortsetzung von „The Winner Takes It All“ sehen. Oder eben als große Beichte der Hauptdarstellerin in einem Musical nach dramatischen Liebeswirren. Die Discokugel dreht sich noch am ehesten bei „Keep An Eye On Dan“, ein Ausflug in die 70er. Mit einem schönen Selbstzitat aus jener Ära („S.O.S.“) am Schluss. An die Anfänge von ABBA erinnert „No Doubt About It“, es hätte damals parallel zu "Rock me" oder "That's Me" entstanden sein können.

Zwei Songs sollen noch unfertig im Studio liegen, doch die bleiben unter Verschluss. Denn Benny erklärt: „Das war’s jetzt wirklich!“ Und Björn gesteht: Nach den letzten Aufnahmen Anfang der 80er-Jahre habe sich alles so angefühlt, „als ob ABBA komplett erledigt wäre. Es war damals so uncool, ABBA zu mögen“. Längst sind sie Kult – auch angesichts der Vorbestellungen von „Voyage“ und dem Vorverkauf für die Show in London, wo ABBA auftreten, ohne selbst live dabei zu sein.

Das neunte Studio-Album ist der Soundtrack für Abendrot und Dämmerung, es schließt mit einer volksliedartigen Abschiedsnummer, dem Wunsch nach einer Ode an die Freiheit. Und die Nacht fällt endgültig herein.
Ab heute ist „Voyage“ als CD, Download, auf Vinyl und als Musikkassette erhältlich. Die Show mit den digitalen Abbataren läuft ab Mai 2022 in einem in London eigens gebauten Theater.
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