Metamorphosen lautet das Motto des Festivals „Herbstgold“ in Eisenstadt: Hätten Sie Ihr Debüt als Opern-Regisseur auch unter einem anderen Motto bestritten?
MARTIN TRAXL: Das ist eine glückliche Fügung und passt ausgezeichnet. Intendant Julian Rachlin hat das sehr gut gefallen. Als er mich eingeladen hat, sagte er zu mir, dass ich auch meine persönliche Metamorphose erleben werde. Ich stehe aber nicht im Mittelpunkt, sondern habe die Gelegenheit meine Neugierde auszuleben und in eine Welt einzutauchen, die ich bislang nur zum Teil von Innen kannte.
Inwiefern?
Ich bin ja professioneller Beobachter, als Journalist gehe ich zu Proben, habe Einblicke in den Backstage-Bereich, aber jetzt erarbeite ich wochenlang mit den Künstlerinnen und Künstlern ein Stück und lerne die Mühsal und Strapazen kennen, die hinter so einer Produktion stecken. Das ist wirklich Knochenarbeit, ich hatte mehrere 14-Stunden-Tage.
„Lo Speziale“ ist eine Opera buffa. Die Musik stammt von Haydn, die Vorlage von Carlo Goldoni. Die Uraufführung war auf Schloss Esterházy in Ungarn, jetzt inszenieren sie im Nachbarschloss Esterházy in Eisenstadt: War das von Ihnen bewusst gewählt?
Ich habe das Stück vorgeschlagen bekommen. Ich habe mich aber sehr rasch dazu entschlossen, es passt perfekt. Auch weil in der Oper die Apotheke als Sinnbild für einen Ort der Verwandlung, des Mystischen, der Forschung und der Veränderung steht. Haydn hat die Opera buffa erst an den Hof der Esterhazys gebracht. Er hat sehr rasch auf die komische Oper gesetzt, die knapp davor als Mode entstanden ist. Während die Opera Seria von antiken Helden und Göttern handelt, ist die Opera buffa aus einem Intermezzo entstanden. In der Opera buffa geht es um Friseure, Kaufmänner, da wird das wahre Leben verhandelt. Vielleicht war sie deshalb so rasch erfolgreich. Es ist schön, dass „Lo Speziale“ an den Ort des Geschehens zurückkehrt.
Sie haben Theaterwissenschaften studiert, das ist Ihre erste Inszenierung. Wie haben Sie sich das Handwerkszeug angeeignet?
In Studententagen habe ich dilettiert, auch gespielt und inszeniert, habe mich aber in weiterer Folge auf die Beobachter- und Kritikerrolle zurückgezogen. Das ist jetzt völliges Neuland für mich und ich habe eine große Ehrfurcht vor dieser Arbeit. Von meiner filmischen Tätigkeit kann ich mir aber einiges herholen. Ganz fremd ist mir das alles nicht. Eine Operninszenierung ist ungemein komplexer. Die Musik ist das Gerüst, wenn man so will auch das Korsett, sie gibt etwas vor und du musst dich danach richten. Ich habe mich vom Text, der von Goldoni stammt, her genähert. Und dann ging es darum, das alles auf die Musik aufzusetzen. Letzten Endes dienen wir der Musik. Leider ist der dritte Akt nur ein Fragment, um den Sängerinnen und Sängern zu ersparen nur zu sprechen, habe ich mir einen dramaturgischen Kniff einfallen lassen und eine zusätzliche Sprecherrolle erfunden. Joseph Haydn himself wird erscheinen. Thomas Kamper wird ihn verkörpern. Für ihn habe ich auch einen Text geschrieben, das war ganz witzig, ich hoffe, wir haben eine gute Lösung gefunden.
Und im nächsten Schritt schreiben sie Haydns Oper fertig?
Nein, das wohl nicht. Ich habe eine musikalische Ausbildung. In ganz jungen Jahren habe ich auch den Komponisten in mir erahnt, aber das würde ich mir nicht zutrauen. Es gibt Fassungen, in denen es nachträglich komponierte Stellen gibt, aber das wollte unser musikalischer Leiter Enrico Onofri nicht. Er ist ein Vollblutmusiker. Er sagte: Wir bleiben beim Original, deshalb war er auch sehr glücklich mit dem Einfall.
Als Kulturjournalist gehört die Kritik zu einer der Kernaufgaben. Haben Sie sich für diese Kritik gewappnet?
Das muss man aushalten, wenn man sich so einer Rolle aussetzt. Es kann schon sein, dass es nicht jedem gefällt, ich hoffe aber auf gnädige Behandlung. Ich bin ja das Greenhorn in der Runde und will es niemandem beweisen, wie es besser geht. Das Ganze passiert mit großer Demut und es kann auch in Teilen schief gehen. Ich fühle mich aber gut aufgehoben, habe hervorragende Menschen um mich herum und auch ein fantastisches Team, das mich technisch unterstützt.
Wenn der TV-Kulturchef des ORF Opern inszeniert, haben Sie Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit mit ihrem Beruf?
Das ist ein musikalischer Spaß, eine Tätigkeit, die ich in meinem Urlaub und meiner Freizeit mache. In zwei Wochen ist das vorbei. Das ist so, wie wenn andere Kolleginnen oder Kollegen in ihrer Freizeit ein Buch schreiben. Ich bin dankbar, dass ich das tun darf und bin aber auch froh, wenn es vorbei ist.
Haben Sie schon schlaflose Nächte?
Kurze Nächte. Es ist schon so, dass die Aufregung zu den ersten Proben hin sehr gewachsen ist.