Als die Anfrage zu diesem Film kam, war es sofort klar, dass Sie zusagen?
STEFANIE SARGNAGEL: Bei der ersten Anfrage schon, aber da gab es das Konzept noch nicht, dass ich selbst so involviert bin. Daher hatte ich schnell zugesagt, weil das auch ein Einkommen ist und ich generell offen dafür bin, dass Leute etwas mit meinen Texten machen. Aus dem ersten Konzept ist nichts geworden. Und dann war ich sehr überrascht, dass die Mockumentary tatsächlich gefördert wird und auch ein bisschen schockiert, mich so vor der Kamera zu exponieren.
Auch noch als Sie selbst.
STEFANIE SARGNAGEL: Ich hatte sehr viel Angst vor dem Film, weil ich das nicht gewohnt bin, so exponiert zu sein, ohne die Kontrolle darüber zu behalten. Ich hatte schon ein bisschen Schiss davor, ob ich das überhaupt aushalte, mir selbst zuzuschauen auf der Leinwand. Ich war erstaunt, dass ich nach der ersten Sichtung nicht suizidal war. Ich war darauf eingestellt, dass ich mir zwei Tage zum Weinen Zeit nehme, aber es war dann eh okay.
War das Ihre erste Schauspiel-Erfahrung?
STEFANIE SARGNAGEL: Ich war einmal mit 20 in einem AMS-Projekt für langzeitarbeitslose Jugendliche, bei dem wir versucht haben, eine Hip-Hop-Oper zu entwickeln. Da bekam ich ein bisschen Schauspiel-Unterricht und Impro-Theaterschulung. Es hat mir damals viel Spaß gemacht.
Sie haben also etwas Gutes vom AMS mitgenommen?
STEFANIE SARGNAGEL: Danke AMS.
Hätten Sie sich träumen lassen, dass aus den Büchern „Fitness“ und „Statusmeldungen“ einmal ein Film wird?
STEFANIE SARGNAGEL: Ich gehe immer ohne Erwartungen an Sachen heran, aber ich war gespannt, wie man das als Drehbuch umsetzen will, weil es im Endeffekt ein Monolog ist. Als Lesung funktioniert es.
Ihre Rolle beinhaltet viel Kamera-Präsenz und Dialoge. Wie haben Sie sich vorbereitet?
STEFANIE SARGNAGEL: Ich wurde von Margarethe Tiesel gecoacht. Sie gab mir ein paar Schauspiel-Hacks. Wir haben die Szenen geübt, aber diese waren sehr kurz. Ich habe das Gefühl, es wurde schon mit dem Hintergedanken geschrieben, dass ich keine professionelle Schauspielerin bin. Ich musste meine Stimmungen nicht sehr oft wechseln, durfte lethargisch und erschöpft sein.
Trugen Sie im Film eigentlich Ihre Privatkleidung?
STEFANIE SARGNAGEL: Es wurden Kleider von mir nachgeschneidert, was irrsinnig praktisch war, weil ich sie behalten durfte. Mit der Wohnung war es auch interessant: Es kamen ein Ausstatter und ein Set-Designer zu mir nach Hause. Es war ein Fleck an der Wand und einer hat gesagt: „Wow, der ist super, fotografier den! Ein super Fleck, der ist so authentisch.“ Sie haben mich für meine Wohnung gelobt und dann wurden einige Sachen hier abgebaut und dort wieder aufgebaut. Mein Bücherregal war danach wirklich schön eingeschlichtet.
Sehr lustig.
STEFANIE SARGNAGEL: Ja, es gab vor Drehstart sogar eine Party in meiner Film-Wohnung, bei der meine Freunde und ich aufgefordert wurden, sie ein bisschen zu verwüsten. Dann wurden wir wieder gelobt, wie super und authentisch wir das gemacht haben – Bierflaschen stehenlassen und so.
Der Film steckt voller Seitenhiebe auf die Film- und Literaturbranche. Aus Ihrer Erfahrung heraus: welche ist schlimmer?
STEFANIE SARGNAGEL: Ich fühle mich in beiden Branchen nicht richtig drinnen. Es war für mich aber erstaunlich, wie viel Commitment, Arbeitsmoral und Beharrlichkeit über Jahre im Film da sein muss.
Wie sehr hat sich Ihr Leben seit damals verändert?
STEFANIE SARGNAGEL: Ich habe auf jeden Fall viel mehr Geld und viel mehr zu tun. Ansonsten hat sich nicht so viel verändert, ich habe dieselbe Wohnung, dieselben Freunde und dieselben Hobbys, aber mehr Einkommen und mehr Stress. Aber auch mehr Macht.
Kurz vor dem zweiten Lockdown kam mit „Dicht“ Ihr erster Roman heraus. Erst seit Kurzem sind Sie auch auf Lesetour. Hat Ihnen das Publikum gefehlt?
STEFANIE SARGNAGEL: Ich dachte eigentlich nicht, aber nach den ersten Lesungen, wo alle applaudierten und einem sagten, wie super man ist, das hat mir schon gefehlt. Mir ging es im Lockdown gut, mit dieser ganzen Ruhe, auch dieses Nur-in-Wien-Sein fand ich sehr angenehm. Man konnte Beziehungen zu Freunden pflegen und banale Sachen wie Haushaltsführung lernen und den Führerschein machen. Ich war wirklich sehr privat, fern von Kunst und Kultur. Sehr entspannt. Einmal hatte ich den kurzen Anfall und eine Facebook-Gruppe für einen Stammtisch für weibliche Humoristinnen ins Leben gerufen. Das möchte ich gerne machen, weil ich durch meine Burschenschaft Hysteria gemerkt habe, wie fruchtbar Vernetzung ist. Es gibt noch immer Kabarettisten, die sagen, Frauen seien nicht lustig. Dabei besteht der ganze lustige Nachwuchs nur aus Frauen.
Vielen jungen Frauen sind Sie ein Vorbild.
STEFANIE SARGNAGEL: Ich habe sie nicht kennengelernt. Sie sollen zum Stammtisch kommen.
Aber es ist dahingehend schon einiges passiert, oder?
STEFANIE SARGNAGEL: Auf jeden Fall. Ich habe mich über das Internet etabliert und andere Komikerinnen, die über TikTok oder Twitter aktiv sind, finden ihr Publikum. Sie brauchen keine Geldgeber aus der Kabarett-Szene, die nur ihre Klone fördern. Dadurch kommen andere Leute ans Tageslicht oder Initiativen wie PCCC, die von Denis Berben initiierte erste queere Comedy-Bühne.