Der Paradigmenwechsel im Musiktheater ist bereits vollzogen oder gerade im Gange. Den künstlerischen, Bühnenbild und Regie mit einbeziehenden Bewusstseinsstand reflektieren auch die beiden auf dem Spielplan der heurigen Salzburger Festspiele stehenden Mozart-Opern. In der Wiederaufnahme von „Cosi fan tutte“ ist die Riesenbühne bereits von allem „Beiwerk“ befreit. Die mehr oder weniger schwarz gekleideten Protagonisten heben sich vom knallweißen Umfeld, einem großen Raum mit zwei Flügeltüren, kontrastreich ab.
Die Regie von Christof Loy zeichnet jede noch so kleine psychologische Regung nach, bisweilen schärfer, dann wieder subtiler, immer aber gewissenhaft und sensibel. Und verleiht so den insgesamt sechs Darsteller(innen) einen hohen Grad an Plausibilität. Diese gestalterische Intensität findet ihr musikalisches Pendant bei den prächtig aufspielenden, unter der Leitung von Joana Mallwitz stehenden Wiener Philharmonikern. Die aus Hildesheim stammende Dirigentin unterstützt mit ihrer ausladend-suggestiven Gestik kongenial das jeweilige Bühnengeschehen, je nach musikalischem Kontext entweder federführend oder kontemplativ-nachgebend. Der feinsinnige Pianist Benjamin Schneider am Hammerklavier tut’s ihr gleich.
Als erste Frau in der Salzburger Geschichte war die seinerzeit jüngste Generalmusikdirektorin Europas nicht nur für die Neueinstudierung verantwortlich, sondern ihr ist auch weiterhin die komplette Aufführungsserie der nun ein Jahr alten Produktion anvertraut. Die fabelhaften, den Kontext Mozarts in allen Nuancen bis zum scheinbar unwesentlichen Detail überzeugend und lebendig nachzeichnenden Sänger-Darsteller seien der Reihe nach angeführt: Elsa Dreisig (Fiordiligi), Marianne Crebassa (Dorabella), Lea Desandre (Despina), der in Graz unvergessene André Schuen (Guglielmo), Bogdan Volkov (Ferrando) und der quicklebendige Johannes Martin Kränzle als Intrigant Alfonso.
Dank des Zusammenwirkens beider Faktoren - hier die ganz wunderbar singenden Darsteller, dort die bis zu jedem Detail fein ziseliere musikalische Ausführung - kann die auf knapp zweieinhalb Stunden (ohne Pause) zusammengestrichene Salzburger Adaption dramaturgisch die Spannung halten. Die zeitlose Parabel über Liebe und Treue, über Vertrauen und Toleranz wurde heftig bejubelt.
Walther Neumann