Der spätgotische Dom thront in seiner sakralen Wucht über der nächtlichen Stadt; doch das Innere ist in rotes Licht getaucht, das dem Schweren eine intensive, aber dennoch beruhigende Leichtigkeit verleiht. Dann die ersten Töne der Orgel, an der an diesem Abend die schwedische Musikerin, Komponistin und Experimental-Singer-Songwriterin Anna von Hausswolff sitzt. Seit Jahren bereits setzt sich die 35-jährige Ausnahmekünstlerin intensiv mit Orgelmusik auseinander.
Hausswolff tastet sich im ersten Stück fast ehrfürchtig an den Raum heran, durchschreitet ihn gleichsam. Vorsichtig zunächst, man meint eine gewisse Unsicherheit zu spüren, vielleicht ist es aber auch Respekt. Doch bereits mit der zweiten Komposition hat die Schwedin den Grazer Dom friedlich erobert, sich den Raum erspielt, füllt ihn mit ihren ebenso emotionalen wie unbeugsamen Solo-Kompositionen aus.
Es ist, wie immer bei Hausswolff, auch eine Operation am offenen Herzen. Denn stets lotet diese Künstlerin das Potenzial des jeweiligen Instruments aus, erforscht sein akustisches Spektrum, daraus entsteht eine Zweierbeziehung der ganz besonderen Art.
Das Publikum, durchgehend maskiert, erlebte ein einstündiges Konzert, in dem alles Platz hatte, denn die Klangarchitekturen von Hausswolff leben von Kontrasten: vom Wechselspiel aus Ruhe und Sturm, aus Harmonie und Dissonanz, aus Schmerz und Schönheit. Ein Album von Hausswolff trägt den Titel „The Miracolous“. Das lässt sich gut auf diesen magischen Abend übertragen.
Als Einstimmung hat Maria W Horn, ebenfalls aus Schweden, mit ihrer Fusion von Elektronik und Orgelmusik für ein hybrides Hörerlebnis gesorgt. Und auch der Wiener Komponist und Cellist Lukas Lauermann, der bereits mit Größen wie Mark Lanegan oder Hans-Joachim Roedelius auf der Bühne stand, hat eindrucksvoll beweisen, dass die Grenzziehungen in der Musik nur in verstimmten Köpfen stattfinden.
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