„Nicht ich, nicht ich! Er ist der Dämon“, schreit sie ins Mikrofon. Nicht der markerschütternde Fortissimo-Akkord des vollen Orchesters setzt die Familientragödie im dunklen Mykene in Gang, sondern Klytämnestra, Elektras Mutter, rechtfertigt sich zu Beginn zum Mord an ihrem Mann Agamemnon.

Krzysztof Warlikowski stellt auch bei der Wiederaufnahme der Oper „Elektra“ von Richard Strauss bei den Salzburger Festspielen Klytämnestras Monolog frei nach der „Orestie“ von Aischylos voran, um die Komplexität des Stoffes der Atriden-Saga noch begreifbarer zu machen.

Der polnische Regisseur lässt das antike Rachedrama in einem schicken Ambiente mit elegant gekleideten Leuten im Heute spielen. Die Arkaden der Felsenreitschule sind zugemauert. Ein länglicher Pool erstreckt sich über die Bühne mit Duschen und Metallwänden im Hintergrund. Links steht ein geschmackvoll eingerichteter Glaskasten (Ausstattung: Malgorzata Szczesniak), quasi ein innerer Raum des Palastes, worin auch die Morde geschehen. Etwas plakativ werden beim Mord an der Mutter riesige Blutspritzer auf die Wand der Felsenreitschule projiziert, wo sich bald verschiedene Insekten schwirrend niederlassen. Die Personenführung insgesamt ist sehr fokussiert und packend. Parallelhandlungen finden statt. Die drei Frauen des Dramas werden in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt.

Diese sind wie im Vorjahr mit Singschauspielerinnen ersten Ranges besetzt: Obwohl Ausrine Stundyte in der Titelpartie eigentlich über keinen hochdramatischen Sopran, vor allem in der Tiefe, verfügt - fallweise geht sie deshalb sogar in den Orchesterwogen unter - liegen ihre Stärken in den Lyrismen und einer bombensicheren Höhe, die ihr eine kindliche Färbung verleiht. Sie wird auch nicht als eindimensionaler Racheengel, sondern sehr nuancenreich gezeigt. Neu besetzt als Chrysothemis meistert Vida Miknevičiūtė  die extremen Schwierigkeiten der Rolle mit klar fokussiertem, immer hörbarem Sopran und bekommt von den Sängern den meisten Applaus! Tanja Ariane Baumgartner kann als Klytämnestra mit dunklem, wandlungsfähigem Mezzo faszinieren. Ebenfalls neu singt diesmal Christoper Maltman den Orest mit kerniger und geschmeidiger Stimme. Seinen Kurzauftritt als Ägisth weiß Michael Laurenz mit klarem, kraftvollem Tenor zu nutzen. Auch die vielen kleineren Partien und die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor singen tadellos.

Fesselnd ist der Spannungsbogen, den Franz Welser-Möst bei den Wiener Philharmonikern über die gesamte Dauer des Werks erzielen kann. Es ist eine facettenreiche und dynamisch ausgefeilte sowie sehr durchhörbare Klangdramaturgie feststellbar, die von den Musikern hoch konzentriert und ungemein vital umgesetzt wird.

Großer Jubel für alle Beteiligten!