Sie haben sich zuletzt im Zusammenhang mit dem von Ihnen organisierten Belvedere-Wettbewerb kritisch über die sommerlichen Theaterschließungen geäußert. Wie ist das in Ihrer Branche angekommen?
Holger BLECK: Die haben das eher gelassen gesehen, so nach dem Motto: Lasst den Bleck ruhig reden! Ich sehe einfach, dass das keine gute Optik ist, wenn man Dinge in Zeiten wie diesen so macht, wie bisher. Da hätte ich mir Signale gewünscht von Kollegen, die sagen: „Ok, wir machen etwas zusätzlich im Sommer“. Dass man ein Theatersystem, das seit 200 Jahren existiert, nicht von heute auf morgen ändern kann, ist klar: Es gibt Gewerkschaften, es gibt gewohnte Abläufe etc. Aber nichts desto trotz könnte man etwas flexibler sein.


Konkret gesprochen: Sie hätten es gerne gesehen, wenn zum Beispiel das Klagenfurter Stadttheater einen Sommerbetrieb hätte?
Das gab es ja bereits in der Vergangenheit, dass am Stadttheater im Sommer Musicals und Operetten gespielt wurden. Andererseits koproduziert das Stadttheater gemeinsam mit dem Carinthischen Sommer die Kirchenoper. Aron Stiehl und ich sind uns einig, dass wir auch weiterhin kooperieren werden.


Auch der Carinthische Sommer hatte mit der Pandemie zu kämpfen. Im Vorjahr konnten statt 24 Konzerten nur zwölf stattfinden. Wie haben Sie auf die jüngsten Lockerungsmaßnahmen reagiert?
Wir haben ursprünglich im Schachbrettmuster geplant. In den letzten zehn Tagen haben wir je nach Spielort weitere Plätze aufmachen können.


Haben Sie den Kartenverkauf rückabgewickelt so wie in Porcia?
Das haben wir im letzten Jahr gemacht, aber ich will die Kartenkäufer nicht wieder mit so einem Verfahren belasten. Wir haben die Lösung präferiert: Da, wo wir im Schachbrettmuster verkauft haben, belassen wir es dabei und drumherum machen wir komplett auf.


Wie viele Karten wurden insgesamt aufgelegt?
Zirka 6000 für 24 Konzerte inklusive Kirchenoper. Ohne Kirchenoper würde ich auf die gewohnte Anzahl von 35 Konzerten kommen. Da sehe ich das Festival im nächsten Jahr wieder, bei gleichem Budget.


Das heißt, eine Kirchenoper kostet so viel wie ungefähr zehn Konzerte?
Kann man so sagen. Das ist ungefähr die Größenordnung.


Heißt das auch, dass es im nächsten Jahr keine Kirchenoper geben wird?
Das ist richtig.


Verliert der Carinthische Sommer dadurch nicht sein letztes Alleinstellungsmerkmal?
Das glaube ich mittlerweile nicht mehr. Ich habe den Eindruck, dass das, was durch mich neu dazugekommen ist – dieser starke Fokus auf die Vielfalt von Genres und Spielorten – etwas ist, das jetzt vom Publikum gut angenommen wird und auch in den Medien und von der Politik als Stärke genannt wird.


Was unterscheidet den Carinthischen Sommer dann zum Beispiel von den Musikwochen Millstatt? Die haben schließlich auch Crossover, Jazz und internationale Stars im Programm?
Die haben schon ihre Stars, aber sind noch regionaler orientiert. Ich habe für den Carinthischen Sommer eine ganz klare Vision. Ich richte das Festival immer nach einer Idee, einem Motto aus. Dieses Motto gibt die Perspektive, aus der ich aus der Vielfalt an Möglichkeiten aussuche. Heuer ist es das Motto „Ich Narr“. Daraus leitet sich etwas ab, worauf ich sonst nie gekommen wäre – eine Kooperation mit der Faschingsgilde Villach. Wir haben vereinbart, dass zur Eröffnung das Prinzenpaar mit dem Hofstaat kommt.


Geht es nicht auch ohne Motto?
Natürlich. Grafenegg hat zum Beispiel ein anderes Konzept und wenn ich mich richtig erinnere, hat sich Rudolf Buchbinder kürzlich in einem Interview dahingehend geäußert, dass Mottos häufig im Nachhinein auf das bestehende Programm aufgesetzt werden. Ich mache das halt anders und fühle mich damit sehr wohl.


Wieviel Narr steckt in Ihnen?
Ich kann mich mit einem Narren schon zu 100 Prozent identifizieren. Ich werde dieses Jahr 59 Jahre alt, seit 51 Jahren beschäftige ich mich mit Musik. Ich nehme Dinge aus meiner Perspektive wahr und habe dafür auch ein Team mit vielfältigster Ausbildung, das darüber wacht, dass sich der Bleck nicht verliert in seiner Welt.


Damit er nicht zu närrisch wird?
Oder vielleicht einmal zu progressiv in der Auswahl des Programms und der Künstler.


Wie groß ist eigentlich Ihr Team?
Übers Jahr sind wir fünf Fix-Angestellte, darunter zwei Konzertplanerinnen und je eine Mitarbeiterin für Rechnungswesen und Ticketing sowie Marketing. Dazu kommen noch zirka 20 Saisonalkräfte.


Wollen Sie mit dem Festival auch gewisse Botschaften unters Volk bringen?
Ich sehe in dem, was ich mache, immer eine kritische Reflexion des Zeitgeists. 2017 hatte das Motto „Nicht genug geküsst“ die Botschaft: Es gibt noch mehr Dinge als Geld und Karriere. Letztes Jahr lautete das Motto „feuertrunken“, wo repliziert wurde auf die Frage der Gerechtigkeit, Freiheit und die französische Revolution. Auch die Kirchenfilmoper „Jeanne d’Arc“, die heuer wieder aufgeführt wird, passt gut zum Thema des Narren. Das ist eine, die das Establishment herausgefordert hat und dafür auch den Preis gezahlt hat, nämlich mit ihren Leben.


Gibt es Konzerte, auf die Sie sich besonders freuen?
Für mich ist wichtig, das ich innerhalb des Festivals eine gute Dramaturgie habe: Das heißt, ich brauch einen fulminanten Beginn, wo die Leute „Wow“ sagen. Ich muss in der Mitte etwas haben und am Schluss. Damit habe ich schon drei Highlights: Christian Muthspiels Orjazztra Vienna zur Eröffnung, die Kirchen-Filmoper und das Mozarteum Orchester zum Abschluss.


Sie haben zuletzt auch beklagt, dass die Kultur von der Politik als nicht systemrelevant angesehen wird.
Kann sein, dass ich das so gesagt habe. Es wird niemand etwas dagegenhalten können, dass im Bewusstsein der Politik, sofern sie nicht Kulturpolitik ist, die Kultur keine große Rolle spielt.


Aus den öffentlichen Subventionen für den Carinthischen Sommer – in Summe 866.000 Euro – lässt sich das nicht unbedingt ablesen.
Ich weiß sehr wohl zu schätzen, was die öffentliche Hand macht. 380.000 bekommen wir vom Land Kärnten plus 16.000 für die Aufführung des Nikolaus-Fheodoroff-Preises in diesem Jahr, 300.000 vom Bund und 170.000 von der Stadt Villach. Wir haben auch erstmals einen Zweijahresvertrag mit dem Land und dem Bund bekommen, was uns sehr entlastet. Wir sprechen hier ja von einem Gesamtbudget von 1,4 Millionen Euro, den der ehrenamtliche Vereinsvorstand verantworten muss. Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung der Fördergeber, die sich ebenso wie der Vorstand nicht in die künstlerische Festivalplanung einmischen.


Sie haben einen unbefristeten Vertrag. Wie groß ist Ihre Lust, noch länger in Ossiach zu bleiben?
Sagen wir einmal so: solange der Vorstand mich erträgt und ich den Vorstand (lacht). Es ist ein bisschen wie in einer guten Ehe oder Partnerschaft: Man muss miteinander können und ähnliche Werte und Vorstellungen haben. Also die Lust am Festival ist ungebrochen.