Proben und Singen mit Maske - Es ist heuer alles etwas anders bei den Bregenzer Festspielen. Vor dem Start der 75. Auflage des Festivals zeigten sich Intendantin Elisabeth Sobotka, der kaufmännische Direktor Michael Diem und die Mitwirkenden dennoch voller Vorfreude. Zwei Wochen vor der Wiederaufnahme-Premiere am 22. Juli sind 80 Prozent der "Rigoletto"-Tickets gebucht, am Tag davor feiert Arrigo Boitos "Nero" im Haus Premiere.
Nach zwei Jahren zurück zu sein - "Rigoletto" hatte ja wegen der Pandemie ein Jahr Pause - fühlt sich für Philipp Stölzl, Regisseur und Bühnenbildner des Spiels auf dem See, an "als wäre es hundert Jahre her oder gerade gestern gewesen". 28 Mal wird Verdis "Rigoletto" am See gegeben, laut Diem sind 80 Prozent der 192.000 "Rigoletto"-Tickets gebucht. Insgesamt sind für die 80 Veranstaltungen des Festivals 280.000 Karten aufgelegt. Derzeit verkaufe man pro Woche 7.000 Tickets, was Vor-Corona-Niveau entspreche, so Diem. Vor vollen Rängen spielen zu können, sei ein "Geschenk", so Intendantin Sobotka, die trotz der hohen Auflagen für die Mitarbeiter und Mitwirkenden große Energie und Begeisterung im Haus ausmachte.
Sobotka ist überzeugt, dass man mit diesem "Rigoletto" Maßstäbe setze, die Inszenierung werde "ikonisch" werden. In der schwierigen Zeit für alle Bühnenkünstler war die Aussicht auf Rückkehr an den Bodensee "wie ein Licht am Ende des Tunnels", sagte Stölzl. Das Stück bleibe auch im zweiten Jahr lebendig, hie und da werde die nicht nur technisch komplexe Aufführung noch einen Feinschliff erhalten, verriet er. Verdi erzähle seine Geschichte ohne Scheu vor Effekten, sie sei auch heute noch "frisch und frech". Auf ihren Einsatz in Bregenz freute sich auch Julia Jones, die die am Montag eintreffenden Wiener Symphoniker dirigieren wird. Maddalena-Darstellerin Katrin Wundsam sprach trotz der Herausforderungen der Seebühne vom "besten Arbeitsplatz, den es gibt".
Der Eröffnungstag, 21. Juli, gehört wie immer in einem Reprisen-Jahr am See der Hausopern-Premiere. "Nero", an dem der als Verdi-Librettist bekannte Boito 56 Jahre lang arbeitete, wurde posthum 1924 in Mailand uraufgeführt und wird heute selten gespielt. Das Stück begleite sie schon lange, so Intendantin Sobotka. Boito habe damit eine neue Art Gesamtkunstwerk geschaffen. Mit Olivier Tambosi (Regie) und Dirk Kaftan (musikalische Leitung) habe sich dafür das ideale Team zusammengefunden. Kaftan bekannte, er habe das Stück zuvor nicht gekannt, dann aber rasch Feuer gefangen. "So eine Oper ist mir noch nie begegnet, sie passt in keine Schublade", so Kaftan.
Tambosi kam bereits in seiner Jugend mit der Musik Boitos in Berührung. "Nero" zeige den Menschen mit all seinen drängenden Fragen nach Spiritualität, nach Werten in einer Zeit des Umbruchs und dem Oszillieren zwischen den Gendern. Boito schildere mit allen Farben eine Psychose, "einen Mensch, der am Nichts entlangschrammt". "Es ist etwas ganz Neues", so auch Svetlana Aksenova, Sängerin der Asteria, über das Stück. Für "Nero"-Darsteller Rafael Rojas ist seine Figur jemand mit grundsätzlichen menschlichen Problemen, die er trotz seiner Macht nicht lösen könne.
Das Singen mit Maske sei allerdings "fast unmöglich", so die beiden Darsteller. Auch wenn einige Sänger besorgt seien, ob die Masken ihrer Stimme schaden könnten, sei man froh, überhaupt wieder arbeiten zu dürfen. Frank Philipp Schlössmann hat für das eigenwillige Stück, in dem sich viel in Neros Kopf abspielt, ein Bühnenbild mit blauen Lichtsäulen, mehreren Ebenen und Drehbühnen entworfen. "Alles bewegt sich - und ich muss auch noch Highheels tragen", so Rojas über die Herausforderungen.