Die Hamburger CDU hat sich kürzlich per Beschluss gegen eine gegenderte Sprache ausgesprochen. Die französische Regierung hat das Gendern in Schulen verboten. Der IT-Riese Apple soll demnächst den Doppelpunkt (z. B. User:innen) einführen. Sprachwissenschaftler Lann Honnscheidt schlug vor, geschlechtsspezifische Pronomen wie „sie“, „er“, „ihre“ und „seine“ durch „ens“ zu ersetzen. Das Gendern entfacht wieder Debatten, die immer strenger geführt werden und für Menschen, die sich nicht sehr für das Thema interessieren, bisweilen skurril anmuten müssen.
Dass oft damit argumentiert wird, dass man weitaus größere Probleme als eine gendergerechte Sprache habe, bedeutet nicht, dass diese sachlich geführt würden. Im Gegenteil. Sprache emotionalisiert. Sie ist nicht nur eine persönliche Angelegenheit, sie bildet als Kommunikationsmedium den Rahmen für fast alle unsere Beziehungen, und sie hat eine politische Dimension. Sie schafft Realität, sie schafft Bewusstsein. Kein Wunder, dass das angeblich nebensächliche Thema so ernst genommen wird.
Die Forderung nach einer gendergerechten Sprache entsprang dem Wunsch, Frauen mehr Sichtbarkeit in der Sprache zu geben. Die mangelnde Repräsentanz des Weiblichen im Deutschen ließ das Binnen-I aufkommen. Dazu kamen alternative Markierungen wie Unterstriche und Sternchen. Vor einigen Monaten tauchen plötzlich häufiger die Doppelpunkte auf, die nicht nur männlich und weiblich, sondern auch nicht binäre Personen inkludieren sollen. Diese Doppelpunkte haben eine steile Karriere hingelegt. Dass Apple im künftigen Betriebssystem iOS 15 offenbar Begriffe wie Abonnent:innen und Freund:innen verwenden wird, ist nicht der erste Coup des Konzerns. Es war auch Apple, das federführend bei verschiedenfarbigen Emojis war.
Neben der Inklusion von Gruppen via Sprache geht es beim Gendern jüngst auch immer stärker um die Einführung von geschlechtsneutralen Pronomen. Wobei die im Englischen aufkommende Bezeichnung „they“ für nicht binäre Personen im Deutschen nur schwerlich eine Entsprechung fände und Konstruktionen wie ein „sier“ oder „ens“ statt „sie“ und „er“ nicht nur bei Germanisten für Entsetzen sorgen.
In der Politik gibt es seit den späten 1980ern Bemühungen um eine geschlechtergerechte Sprachanpassung. Die aktuellen Empfehlungen des Bildungsministeriums für seinen Bereich setzen auf milde Eingriffe. Dort werden geschlechtsneutrale Formulierungen wie „Person“, oder „Lehrende“ sowie Umschreibungen empfohlen. Auch Doppelnennung wie „Leserinnen und Leser“ wird angeraten, während als Sonderzeichen nur die Schrägstriche empfohlen werden („die Dirigent/inn/en").
Die Doppelnennungen wirken aber unelegant und nehmen einer Sprache, die nicht im bürokratischen Kontext steht und wirken muss, oft Schwung und Ausdruckskraft. Eine Kritik nicht nur aus literarischen, sondern auch journalistischen Kreisen.
Für viele sind solche Umbauaktionen an der Grammatik und Sprache ohnehin nichts als Verhunzung, die nichts an den realen Problemen ändere. Wobei die Diskussion von populistischen Tönen überlagert wird. Dass die Hamburger CDU es für notwendig hielt, einen Beschluss gegen das Gendern zu fassen, klingt genauso nach Wahlkampf wie ein Statement der FPÖ Niederösterreich. Dort bezeichnete eine Abgeordnete die „geschlechtergerechte Sprache als Hirngespinst verquerer Emanzen“. Man wolle vielmehr der Verschandelung der deutschen Sprache entgegentreten. Dass dieses Statement gleichzeitig mit einer Anti-Gender-Aktion eines großen Boulevardmediums zusammenfällt, könnte kein Zufall sein.
Dass eine Mehrheit gegen Gendern ist, belegen mehrere Umfragen aus dem deutschsprachigen Raum, die Ablehnung liegt dabei bei zwei Drittel. Die Debatte passt haargenau in Zeiten, wo die persönliche Freiheit und staatliche Vorschriften wieder zu einem Reizthema geworden sind: Man will sich nicht vorschreiben lassen, wie man zu schreiben hat. Wobei der Verfassungsgerichtshof schon 2018 das Recht auf eine diskriminierungsfreie Sprache bestätigt hat.
Sprache bewegt nicht nur, sie ist immer in Bewegung. Sie verändert ihr Vokabular, ihre Ausdrucksweisen laufend. Stetig werden alte Begriffe aus dem Duden entfernt, neue dagegen aufgenommen. Auch dort setzt man in Sachen Gendern eher auf moderate Veränderungen. Und sorgt dennoch für Kritik. Im Februar machte der Duden mit dem generischen Maskulinum Schluss. „Mieter“ meint nun nur mehr eine „männliche Person“. Nicht nur selbst ernannte Sprachwächter, sondern auch Linguisten und Grammatikspezialistinnen sehen das problematisch. Auch weil eine besonders inklusive Sprache wieder etwas Exklusives haben würde: Sie wird schwerer lesbar und erlernbar.
Die Sensibilisierung für eine diverse Gesellschaft via Sprache und die Ablehnung von Eingriffen in das geliebte Gut scheinen sich heute noch unvereinbar gegenüberzustehen. Das Gefecht wird mit harten Worten geführt. Die Journalistin Maritta Tkalec von der „Berliner Zeitung“ fand in einer Umfrage drastische Worte. Sie fühle sich vom Gendern „ideologisch begrapscht“.