Die italienische Sängerin Milva ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Dies teilte am Samstag ihre Tochter Martina Corgnati mit, mit der sie in Mailand lebte. In den vergangenen Monaten hatte sich der Gesundheitszustand der Diva mit der roten Mähne, die 2010 ihre Karriere beendete, verschlechtert. Am 26. März hatte sie sich noch gegen das Coronavirus impfen lassen. "Ich lasse mich impfen, weil ich an meinem Leben hänge", sagte die Sängerin damals.
Feuerrotes Haar, rollendes R, glanzvolle Auftritte: Wer über die italienische Schlager- und Chansonsängerin Milva sprach, gebrauchte gerne Stereotype. Eine Diva war sie - gefeiert und mit herausragendem Talent. Dazu der passende Name: "La Rossa", die Rote. Mit den Zuschreibungen hatte Milva so ihre Probleme. "Ich bin keine Diva. Im Zusammenhang mit Marilyn Monroe ist das Wort sicherlich angebracht, aber nicht bei mir", sagte sie einmal. Wie ein Ohrwurm bleiben ihre Hits hängen. "Hurra, wir leben noch", singt sie in ihrem wohl bekanntesten Song auf Deutsch. "Wie stark ist der Mensch? Wie viel Ängste, wie viel Druck kann er ertragen?", geht es weiter. Es mag ein kleiner Verweis auf ihr eigenes Leben sein, das durchaus Tiefen hatte.
"Wollte nie Sängerin werden"
Maria Ilva Biolcati kam als Tochter einer Schneiderin und eines Fischers in dem kleinen Ort Goro an der Adriaküste zur Welt. "Ich wollte nie Sängerin werden, das war absolut nicht mein Traum", sagte sie. "In Wirklichkeit bin ich in einem kleinen Dorf zur Welt gekommen, wo die Leute eher einfach waren. Ich wollte zeichnen, malen, nähen. Ich wollte Schneiderin werden, tolle Kleider nähen."
Doch Milva musste früh mitanpacken und Geld für die Familie verdienen, als ihr Vater seinen Besitz verlor. Sie zog nach Bologna und nahm bei einem Gesangswettbewerb teil. "Es war eine Möglichkeit, an Geld zu kommen." Sie bekam eine Gesangs- und Schauspielausbildung. Und mit der Karriere ging es bergauf. Sie nahm Dutzende Alben auf, sang auf Tourneen und auf Theaterbühnen. Fast 20 Mal trat sie bei Italiens bedeutendstem Schlagerfestival in Sanremo auf - allerdings gewann sie nie.
"Deutsch ist meine zweite Muttersprache"
Sie schaffte den Sprung vom Schlagerstar zur anerkannten Interpretin von Bertolt Brecht. Am Mailänder Piccolo Teatro war sie unter der Regie von Giorgio Strehler die Seeräuberjenny in der "Dreigroschenoper". "Mit intensiven Studien, sehr viel Mühe und unbedingter Willenskraft lässt sich das erreichen", erklärte Milva, die Deutsch einmal ihre zweite Muttersprache nannte.
Auch politisch sah sie sich auf einer Linie mit Brecht. Milva verstehe Brechts Lieder so gut, weil sie aus demselben Milieu komme wie seine Figuren, soll Strehler gesagt haben. Allerdings wandte sich die Italienerin letztlich enttäuscht von der Politik und den Sozialisten ab.
Von Schlager über Chansons zu Brecht
Die Welt der Schlager ließ sie hingegen nie los. Zusammen mit Al Bano trat sie bei der ZDF-Hitparade auf, auch in der DDR beglückte sie in den 80er Jahren ihre Fans. Gleichzeitig wartete sie mit Interpretationen von Edith-Piaf-Chansons und Zarah-Leander-Stücken auf, gab Opern-Gastspiele, unter anderem an der Mailänder Scala. 2006 bekam Milva das Bundesverdienstkreuz.
Privat ging es dagegen nicht immer bergauf. Mit 21 heiratete sie den damals 44 Jahre alten Maurizio Corgnati. Ihre Tochter Martina kam zur Welt, die sie zunächst vor allem als "Rivalin" empfunden habe, sagte Milva später. Sie sei selbst noch ein Mädchen gewesen. Später habe sie bereut, dass sie "keine großartige Mutter" gewesen sei und ihre Tochter oft alleine gelassen habe. Sie sei selbst ängstlich gewesen und habe, bis sie 17 war, geglaubt, "dass nachts der Tod kommt und mich holt". "Ich war immer bei meiner Mama im Bett."
Sie stürzte in eine tiefe Depression, hatte unglückliche Beziehungen, musste in Behandlung. Letztlich habe sie sich aber aus dem Tief gekämpft und Stabilität gewonnen, erzählte sie. In einem Interview 2010 im italienischen Fernsehen sprach sie von gesundheitlichen Probleme, die sie davon abhalten, weiter aufzutreten. Ihre Karriere erklärte sie damals zwar für beendet, gelegentliche Auftritte gab es dennoch. Und der Ruhm der Frau mit der Feuermähne wirkte bis jetzt.
Annette Reuther/dpa/Red.