In einem Monat jährt sich das Ende von ServusTV zum fünften Mal. Falsch: Es würde sie jähren, hätte Mäzen Didi Mateschitz damals seine Meinung nicht kurzfristig geändert und den Privatsender am Leben gelassen. Seit diesem Tiefpunkt erlebt ServusTV einen linearen Aufstieg, der sich in den Quoten, aber auch in einem neuen Selbstbewusstsein widerspiegelt.
Um zu zeigen, wie wichtig Sportereignisse für ORF 1 sind, reicht ein Vergleich der Marktanteile in den Monaten Juni 2020 (6,5 Prozent) und Jänner 2021 (12,3 Prozent): In den sportarmen Sommermonaten (Ausnahmen sind die besagten Fußballgroßereignisse und Olympia) sinken die Marktanteile um fast 50 Prozent. Die weit größere Hiobsbotschaft für den Küniglberg wäre der Erwerb der Skirechte durch die Salzburger: Die entsprechenden TV-Rechte werden ab Mitte April für die Zeit ab 2022/23 ausgeschrieben.
Was sich nicht ändert
Für den ORF geht es, wenige Monate bevor im August die Wahl des Generaldirektors ansteht, um viel. Der Rechteerwerb durch ServusTV ist bedeutend genug, um die nie ganz verschwundene Gebührendebatte zu befeuern: Warum gleich viel für weniger Angebot zahlen, wird sich der eine oder andere Fußballenthusiast denken. Andererseits: Warum sollte der ORF zweistellige Millionenbeträge in jeweils vierwöchige Fußballveranstaltungen investieren? Insofern dürfen sich optimistische Gebührenzahler freuen: Die EM bleibt im Free TV und der ORF kann das Geld in andere Angebote stecken.
Zunächst ändert sich ohnehin wenig: Bis 2023 bleibt alles gleich - der ORF besitzt die Rechte an der EM und der WM - und auch danach zeigt ORF 1 weiterhin Spiele des ÖFB-Teams und bleibt Medien- und Kooperationspartner. Im Zeitraum von 2022 bis 2028 hat sich der ORF von den von der UEFA zentral vermarkteten Rechten mehr als zwei Drittel aller ÖFB-Länderspiele - 42 sollen es sein - gesichert. Bei ServusTV seien es laut ORF nur 18. Hinzu kämen freilich die Spiele bei einer erfolgreichen Qualifikation für eine der Europameisterschaften.
100 Millionen Euro für TV-Sport
Laut "Standard"-Schätzungen hat der Privatsender damit rund 100 Millionen Euro für Rechtepakete ausgegeben. Zum Vergleich: Das gesamte Sport-Budget des ORF beträgt pro Jahr rund 80 Millionen Euro. Entsprechend erklärt ORF-Sportchef Hans Peter Trost: "Ein verantwortungsvoller Umgang mit den Gebührenmitteln setzt voraus, dass der ORF bei Sportrechten nicht um jeden Preis mitbieten kann. Dem ORF ist es unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben, insbesondere hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit, dennoch gelungen, die gegenständlichen Rechte langfristig zu sichern"
Die Schlüsselfigur auf Seiten von ServusTV kam im Herbst 2019 an Board: David Morgenbesser war sieben Jahre lang bei Sky Deutschland für Sports Rights and Commercialization verantwortlich, bevor sich der Deutsche den Salzburgern anschloss. Unterstützung erhält er von Servus-Intendant FerdinandWegscheider, der im Zusammenhang mit dem Euro-Paukenschlag von einer "neuen Ära in Österrreichs Fußballberichterstattung" spricht.
Sublizenzierungen sind möglich
Es ist davon auszugehen, dass ServusTV, nicht auf sein teuer erkauftes Exklusivrecht an den EM-Übertragungen festhalten wird und es, wie in Deutschland, wo Magenta rund 250 Millionen Euro für die Rechte an der Heim-EM 2024 bezahlt hat, zu Sublizenzierungen kommt. Wie das funktionieren kann, ist an der Formel 1 zu sehen: 639.000 Zuseher verfolgten den Auftakt der Königsklasse auf ServusTV, das nächste Rennen aus Imola am 18. April überträgt der ORF. Was die gute Quote zeigt: Die Zuschauer sind flexibler geworden, gehen dorthin, wo sie das beste Angebot vorfinden.