So viel wird über ihn geschrieben. Über ihn, Benedict Wells. Als „Wunderkind“ der deutschsprachigen Bücherwelt wird er gefeiert. Mit 37 Jahren hat der Cousin von Ferdinand von Schirach fünf Romane und einen Erzählband veröffentlicht. Stets wuchs und reifte Wells mit und an seinen Werken. Mit dem 2016 erschienenen „Vom Ende der Einsamkeit“ schrieb der Autor sich und seine Figuren aus der Adoleszenz heraus. Und was nun?
Nun legt der Schriftsteller mit „Hard Land“ ein Buch vor, das eigentlich nicht nachvollziehbar erscheint und deshalb umso mutiger ist. Sein neues Werk ist ein „Coming of Age“-Roman, der vor Klischees und jugendlichen Hormonen nur so strotzt und mit popkulturellen Querverweisen der 1980er-Jahre gemästet wurde. Der erste Satz nimmt die Geschichte des Romans bereits vorweg. „In diesem Sommer verliebte ich mich und meine Mutter starb.“Das lässt der 15-jährige Sam zu Beginn von „Hard Land“ seine Leser wissen. Dieses harte Land, es ist eigentlich eine Stadt, nämlich das fiktive Kaff „Grady“ in Missouri. Und es ist eine schroffe Seelenlandschaft. Diese muss der schüchterne, neurotische Sam, dessen Vater schwer erreichbar und dessen Mutter schwer krank ist, beackern. Was nach altbewährtem Plot klingt, hat es in sich. Benedict Wells zu lesen bedeutet, das immer wieder neuartige Knistern auf der längst auswendig gelernt geglaubten Schallplatte zu hören.
Im furchtbar faden Chaos der Kleinstadt trifft Sam auf die undurchschaubare Kirstie, in die er sich verliebt, auf den homosexuellen Cameron und den dunkelhäutigen „Hightower“. Eine ungleiche Freundesclique, die sowohl den Rausch als auch den Sinn sucht, entsteht. Diese Geschichte ist voller Pathos, aber frei von Kitsch; nachdenklich, aber nicht küchenpsychologisch; locker, aber nicht cool.
„Hard Land“ zeigt, wie gedankenverloren, aber todernst die magisch-kurze Zeit des Erwachsenwerdens, wie paradox das Wechselspiel zwischen erster Liebe und letzten Riten ist. Ein Lebensabschnitt, der gern als Lächerlichkeit abgetan wird, erfährt hier mit erhabener Figuren-Schnitzkunst neuen Wert. Den leichten Weg, das harte Land der Jugend zu verlassen und als Elder Statesman der Literatur aufzutreten, ist Wells nicht gegangen.
Buchtipp: Benedict Wells. Hard Land. Diogenes. 352 Seiten, 24,90 Euro.