Oper, das ist Größe, Gefühl und Intensität. Sie ist eine verrückte Sache: So aufwendig und teuer, dass es für jede Kosten-Nutzen-Rechnung ein Hohn ist. Eine Luxuskunst in Zeiten, in denen sich alles rechnen soll, und zugleich eine Kunst, die den Menschen mit unbezahlbaren Dingen beschenkt: „ich darf nur von einer opera reden hören, ich darf nur im theater seyn, stimmen hören - o, so bin ich schon ganz ausser mir“, schrieb ein recht bedeutender Opernkomponist an seinen sehr lieben Vater.
Solche Euphorie ist nur mit Publikum erreichbar. Erst die Besucherinnen und Besucher machen Oper zum Erlebnis. Das merkt man, wenn man als Kritiker zu einer TV-Aufzeichnung wie „La Traviata“ heute in der Wiener Staatsoper geladen ist: Gespenstische Leere in den Gängen. Geschlossene Buffets. Kein Geschnatter in den Pausen. Das Haus ist vor und nach der musikalischen Darbietung in fast drückende Stille gehüllt. Man sitzt in einer Parterreloge: Ein wirklich guter Platz, aber man ist halt fast allein. In den anderen Logen sitzt auch jeweils ein Journalist. Samt den Leuten vom Fernsehen und vom Haus sind etwa 30 Personen im 2100 Zuschauer fassenden Saal. Am Ende, nachdem die Musik drei Stunden den Raum geflutet hat, darf nicht geklatscht werden. Wegen der Aufzeichnung. Die Energie, die sich beim Hören angesammelt hat, kann sich nicht entladen. Kein Vergleich zum echten Erlebnis und doch ist man an solchen Abenden dank seiner Arbeit privilegiert.
Opernfans müssen jetzt noch durchhalten, ein paar Wochen noch. Dann wird der Palast der Gefühle wieder aufmachen. In den 414 Jahren seit Claudio Monteverdis "L’ Orfeo", der ersten erhaltenen Oper der Geschichte, hat noch keine Krise die Oper umbringen können. Heute funkt die Oper Lebenszeichen, einen Abglanz der Realität, ab 20.15 Uhr in ORF III.