Es ist unwahrscheinlich, dass Konzert-Großveranstalter Ewald Tatar (Barracuda) derzeit Lou Reeds Song "Perfect Day" auf seiner Playlist hat, eher schon dessen "There is no Time" vom grandiosen "New York"-Album. Und es bleibt tatsächlich kaum mehr Zeit, um zu entscheiden, ob in Österreich traditionellerweise mit dem Nova-Rock-Festival (geplant von 2.bis 5. Juni) auf den Pannonia Fields in Nickelsdorf in den Festivalsommer gestartet werden kann.
Tatar und andere Großveranstalter fordern seit Monaten "Planungssicherheit" ein, die allerdings bis heute nicht gegeben ist. Als rote Linie wurde stets der März genannt. "Aber bis heute gibt es keine Ansage bzw. Entscheidung von der Regierung", so Tatar, dessen Grantpegel in den letzten Wochen und Monaten deutlich gestiegen ist. "Wir müssen diese oder spätestens nächste Woche wissen, woran wird sind", so Tatar. "Denn solche Riesenveranstaltungen haben natürlich eine lange Vorlaufzeit. Auch mit einem ,nein, geht leider nicht' könnte ich schon etwas anfangen, aber mit dieser Ungewissheit kann ich nicht arbeiten."
Die Entscheidung, ob ab Mai/Juni Veranstaltungen mit Zigtausenden Menschen möglich sind, müsse natürlich die Politik treffen, so Tatar. "Diese Entscheidung nehme ich den Damen und Herren sicher nicht ab, das ist deren Job, nicht meiner." Tatar glaubt, dass der Beschluss ohnehin schon gefallen ist und Veranstaltungen mit mehr als 10.000 Menschen im Frühsommer nicht möglich sein werden - was natürlich auch die Absage des Nova Rock und anderer Großkonzerte (z. B. Green Day) bedeuten würde. "Aber die Regierung ist schlicht zu feige, das in dieser Deutlichkeit zu sagen. Da geht es um die Stimmung nach außen hin." Etwas zuversichtlicher ist Tatar bezüglich Festivals, die später im Sommer angesetzt sind. "Das Frequency etwa würde erst im August stattfinden, da besteht eventuell noch Hoffnung."
Ewald Tatar verweist auf andere Länder, in denen Planungssicherheit gegeben sei bzw. Festivals schon abgesagt wurden. "In England, Frankreich, Belgien, Spanien wurden bereits große Festivals gecancelt. Dort weiß man zumindest, woran man ist. Deutschland wird vermutlich bald nachziehen." Und tatsächlich sind bereits etliche Festivals, die im Frühsommer stattgefunden hätten, aufs nächste Jahr verschoben worden.
Das legendäre Glastonbury-Festival fällt heuer nicht dem Matsch zum Opfer, sondern der Pandemie. Das ungarische Sziget-Festival geht ebenfalls nicht über die Bühne. Auf der Internetseite ist zu lesen: "Die ungarische Regierung hat Großveranstaltungen bis 15. August untersagt." Nichts mit einem Festival-Frühling wird es auch in Spanien, das Primavera in Barcelona wurde abgesagt. Das Roskilde-Festival in Dänemark wackelt indessen, in Deutschland wird derzeit noch am "Metal-Hochamt" in Wacken und am Rock am Ring festgehalten. Letzeres ist allerdings von 11. bis 13. Juni geplant, also auch höchst ungewiss. Außerhalb Europas finden weder Coachella in Kalifornien noch "Burning Man" in der Wüste von Nevada statt.
Zurück nach Österreich. Auch Großveranstalter Klaus Leutgeb, der bisher viel Verständnis für die Schwierigkeit und Unberechenbarkeit der Situation zeigte, ist nicht im "Perfect-Day"-Modus. "Ich wüsste nicht, mit welchen Sicherheitskonzepten in wenigen Monaten Stehplatzkonzerte im großen Rahmen möglich sein sollten", so Leutgeb. Das betrifft auch das von ihm veranstaltete "Electric Nation", das am 31. Juli auf dem Freigelände der Grazer Messe geplant ist bzw. war. Denn: "Ich bezweifle sehr, dass das stattfinden wird." Leutgeb schlägt folgendes vor: "Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer soll sich bitte hinstellen und öffentlich verkünden, dass sie versuchen wird, die sogenannte Hochkultur, die ja in der Regel im Rahmen von Sitzplatz-Veranstaltungen stattfindet, mit diversen Sicherheitskonzepten zu retten. Und sie soll aber bitte auch den Mut haben, zu sagen, dass heuer leider keine großen Stehplatz-Events möglich sein werden." Nachsatz: "Alles andere zu glauben wäre Utopie."
Rammstein höchst unwahrscheinlich
Apropos Großveranstaltungen, die vermutlich Schall und Rauch sind: Man hätte Till Lindemanns Herz- und Donner-Lyrik gerne über die Ränder des Klagenfurter Wörthersee-Stadions schwappen hören. Doch für das am 27. Mai geplante Konzert stehen die Zeichen auf Verschiebung. "Die momentane virale Situation betrachtend, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Verschiebung ausgegangen werden", sagt Eva Reschreiter vom Veranstalter "Arcadia Live GmbH". Die Metal-Band Rammstein würde ihre Tour am 22. Mai in Leipzig starten, Klagenfurt wäre das dritte Konzert.
Ein anderes Event-Wochenende in Kärnten soll jedoch über die Bühne gehen: "Die Planungen für die Starnacht am Wörthersee und das Open Air Konzert von Rainhard Fendrich, welche am selben Wochenende im Juli in der Wörthersee Ostbuchen stattfinden, laufen auf Hochtouren", lässt Gerfried Zmölnig, Geschäftsführer des Veranstaltes "ip Media", ausrichten. 15.000 Zuschauer erwartet man sich für die Starnacht (16. und 17. Juli) sowie Fendrich (18. Juli). 80 Prozent der Karten sind verkauft, bei einer Verschiebung behalten diese ihre Gültigkeit. Zmölnig geht davon aus, dass man spätestens Ende Mai Klarheit schaffen kann.