Bob Dylan hat es getan, Neil Young auch. Und Kolleginnen wie Stevie Nicks (Fleetwood Mac) oder Shakira haben ebenfalls nicht Nein gesagt, als es um den Verkauf ihrer Songrechte ging. Einen regelrechten Ausverkauf des Kulturgutes Musik wittern einige Kritiker, andere sprechen von einer logischen Entwicklung. Was in anderen Bereichen schon längst gang und gäbe sei, würde jetzt eben auch in dieser Branche stattfinden: Kunst als Wertanlage.
Dass sich auch Künstler, die bislang mit Argusaugen das eigene Werk geschützt und verwaltet haben, zum Verkauf entschieden haben, dürfte mehrere Gründe haben. Für nicht mehr ganz so junge Großmeister wie Dylan – der 79-Jährige verkaufte die Rechte an rund 600 Songs für 300 Millionen Dollar an Universal – dürften eine Absicherung des „Altenteils“ und die Vorsorge für nächste Generationen mit eine Rolle gespielt haben; bei den Jüngeren könnte es eine Art Zukunftsversicherung sein vor dem Hintergrund, dass derzeit durch den coronabedingten Ausfall von Livekonzerten eine wichtige Einnahmequelle wegbricht. Übrigens, angesichts der Summen dieser Mega-Deals mutet der Preis, den Michael Jackson 1985 für die Rechte an 251 Beatles-Songs bezahlt hat, nahezu wohlfeil an: 47 Millionen Dollar.
Die Goldgräberstimmung, die derzeit vorherrscht, ist leicht erklärbar, denn Songrechte sind ein wahrer Schatz – auch wenn die hohen Kaufsummen nicht auf den ersten Blick nachvollziehbar sind. Schließlich ist das Werk von Dylan und Young schon weitgehend erschlossen, x-fach verwertet, und mit einigen De-luxe-Boxen für Aficionados lässt sich wohl auch nicht das große Geld verdienen. Aber darum geht es schon längst nicht mehr: Wer die Rechte hat, kassiert. Immer dann, wenn ein Song verwertet wird – und das bis zu 70 Jahre nach dem Tod des Musikers.
Da geht es aber nicht mehr um physische Tonträger, sondern vor allem um Streaming-Portale wie Spotify oder auch Netflix. Dort liegt die wahre Goldgrube, denn immer mehr neue Serien und Filme werden mit den alten Songs bekannter Musiker „garniert“. Und das lässt die Kassen mächtig (er-)klingen.
Neben den Branchenriesen Universal Music, Warner und Sony Music macht vor allem der Investmentfond Hipgnosis vermehrt Shoppingtouren in Sachen Songrechte. Dahinter stehen mit Merck Mercuriadis und Nile Rodgers zwei absolute Insider, die schon Künstler wie Elton John, Guns n’ Roses oder Beyoncé gemanagt haben. Sie könnten auch der Grund dafür sein, dass sogar misstrauische Fundis wie Neil Young sich von ihren Liedern bzw. den Urheberrechten trennen. Vor allem Mercuriadis ist ein ausgewiesener Musikliebhaber mit riesiger Plattensammlung, der offenbar nicht nur die Gewinne der Aktionäre im Blick hat, sondern auch das künstlerische Wohlergehen der Musiker.
Für Franz Medwenitsch, CEO des Verbandes der österreichischen Musikwirtschaft, ist der Einkaufsboom bei Songrechten eine logische Entwicklung: „Der anhaltende Trend zu Musikstreaming hat den Wert weltweiter Songrechte massiv gesteigert. Die hohen Investitionen in den Erwerb von Songkatalogen überraschen deshalb nicht.“ Und weiter: „Für Kulturgüter mit Wertsteigerungspotenzial wurde schon immer viel Geld ausgegeben. Bisher kannten wir das vor allem von Auktionen bildender Kunst.“
Die Angst bzw. die Wut darüber, dass seine Musik zweckentfremdet wird, hat Neil Young sogar im Song „This note’s for you“ (1988) artikuliert: „Ain’t singing for Pepsi, ain’t singing for Coke.“ Jetzt hat er 50 Prozent seines Songkataloges an Hipgnosis verkauft. Dass die Sprudelwasser-Werbung weiterhin youngfrei bleibt, ließ er sich aber vertraglich zusichern. Damit es kein böses Erwachen gibt – „After the Gold Rush“.