Seit März vergangenen Jahres verlagerten sich während der Lockdown-Phasen die Kunst- und Kulturveranstaltungen hauptsächlich ins Netz. Es gab und gibt neben den gehäuften digitalen Angeboten natürlich charmante Ausreißer wie Balkon- und Hofkonzerte, ins Haus gelieferte Daumenkinos, exklusive 1 : 1-Lesungen für zwei Beteiligte, Theater auf fahrbaren Bühnen oder schwimmenden Schiffen, Live-Events via Autokino oder über Kopfhörer, den „Kultursalon Guckloch“ in einer Wiener Peep Show etc. Nachfolgend ein paar sehr außergewöhnliche Ideen, wie Organisatoren oder Kulturschaffende selbst ihre Arbeiten trotz aller Hürden derzeit unter die Leute bringen.

Flaming Lips

Die exzentrischste Rockband der Welt hat in ihrer Heimatstadt Oklahoma City Konzerte gegeben, in der alle Beteiligten sich in transparenten Gummiblasen befanden. Das Publikum wurde mit Ventilatoren und Handtüchern ausgestattet und feierte mit den Flaming Lips eine Party. Es ist kein Beispiel, das Schule machen wird – aber diese Konzerte fügen sich nahtlos ins Gesamtwerk einer Indieband, die häufig mit völlig durchgeknallten Ideen auf sich aufmerksam macht. Selbst die Idee mit den Gummibällen ist nicht neu: Wayne Coyne, Mastermind der Flaming Lips, hüpft schon seit Jahren bei Konzerten in einer solchen Blase durchs Publikum. flaminglips.com

Kunst im Impfzentrum

In Straubing hängt die Kunst im Impfzentrum
In Straubing hängt die Kunst im Impfzentrum © APA/dpa/Armin Weigel

Die Gemeinschaft Bildender Künstler in Straubing hat ihre Ausstellung kurzerhand in das Impfzentrum der niederbayrischen Stadt verlegt. „Normalerweise kommen die Menschen zur Kunst, hier kommt die Kunst zu den Menschen“, sagt Vereinsvorsitzender Erich Gruber. Künstler aus der Region hätten auf diese Weise die Gelegenheit bekommen zu zeigen, „dass es uns noch gibt“. Seit Mitte Jänner sind in der Messehalle rund 80 Gemälde, Skulpturen, Objekte und Installationen von 42 Künstlern zu sehen. weytterturm.de

Interconti Wien

Eine Art Hybrid hat sich die bis 7. Februar laufende Kunstmesse „Interconti Wien“ ausgedacht. Sie wurde nämlich real aufgebaut. Mitten im pompösen Setting des Hotels Intercontinental, das dafür seine derzeit leeren Räume zur Verfügung stellt, wurden 13 historische Vitrinen aus dem Museum für angewandte Kunst aufgebaut, in der je eine Wiener Galerie je eine Künstlerin oder einen Künstler präsentiert. Seit Donnerstag führt ein im Internet abrufbarer Film durch die Messe und ermöglicht durch Pop-up-Fenster und direkte Links im Video Interviews mit den Künstlern und Galeristen und den direkten Kontakt mit den Galerien. interconti.wien

Lampenwald in Wien

Seit seiner Eröffnung kann sich das Wiener Museumsquartier nicht über einen Mangel an BesucherInnen beklagen: Im aktuellen Lockdown erhellt bis zum 10. März ein Wald aus 125 alten, mit LED-Leuchten auffrisierten Stehlampen einen transparenten, frei zugängigen Kubus im Haupthof. Von 16.30 bis 20.30 Uhr bespielt der Konzeptkünstler Johann Rass mit Licht- und Klanginstallationen in je zehnminütigen Sequenzen die Vintage-Stücke. 15 der Lampen hatte der Künstler geerbt, den Rest sammelte die MA 48. mqw.at

Wiener Lichtblicke

Sobald die Dämmerung einsetzt, geht das Licht an: In rund 10.000 Schritten lässt sich die von Victoria Coeln konzipierte Ausstellung im öffentlichen Raum in der Wiener Innenstadt erleben. An zehn Orten zwischen Ballhausplatz, Stephansplatz oder Rosa-Meyreder-Park erinnern KünstlerInnen mit ihren Interventionen an die Menschenrechte. Deborah Sengl steuert eine spektakuläre „ZebraTigerin“ im Tigerpark in der Josefstadt bei. Das Projekt geht bis zum 31. März in Verlängerung und bietet sich nach dem Abbau der Weihnachtsbeleuchtung zum Spazierengehen mit Blick nach oben an.  nipas.ac.at

Street Art-Stadtwandern

Kunstwandern könnte man diese lockdowntaugliche Disziplin nennen: Der Vienna Murals Street Art Guide hat fünf neue Routen ausgesteckt. Egal, ob Reindorfgasse, Westbahnhof, Gürtelbögen, Falcostiege, Freihausviertel oder Yppenplatz – diese Wege lindern die Symptome bei Kunstentzug. Die Routen klappern altbekannte, aber auch neue Arbeiten ab. viennamurals.at

Am Baustellen-Zaun

Das Wien Museum am Karlsplatz wird bekanntlich gerade umgebaut. Ab 11. Februar eröffnet am Baustellen-Zaun die Open-air-Schau „Almost. Wiener Weltreisen 1873/2020“. Bilder von den Pavillons der Weltausstellung werden darin mit Wiener Fotos von Architekturjournalist Wojciech Czaja aus dem ersten Lockdown kombiniert. Kurze, imaginäre Reisen. wienmuseum.at

krasnoLuftpost

Das OÖ Kulturquartier in Linz besitzt mit dem „Spielwerk“ einen Ort für ein junges Publikum. Weil dieser Ort derzeit natürlich auch geschlossen ist, bietet man seit November und noch bis März ein „Luftpost Abo“ an, das sich an Familien mit Kindern zwischen vier und zwölf Jahren richtet. Fünf Künstlerinnen haben zehn interaktive künstlerische Impulse entwickelt. In den Briefen stecken von einer Duftinstallation bis hin zur Handlungsanweisung die vielfältigsten Inspirationen. Am Ende hat man seine eigene Kunstedition. ooekulturquartier.at

Schauspielhaus Graz

Wenn ins Theater gehen nicht möglich ist, kommt das Theater eben ins Haus: Das Grazer Schauspielhaus modelte das Drama „Krasnojarsk“ des Norwegers Johan Harstad zum Virtual Reality-Projekt um. Tom Feichtingers Inszenierung wurde von Markus Zizenbacher mit einer Spezialkamera in 360°-Optik abgefilmt, an Schauplätzen wie dem Kalkwerk in der Weizklamm, der Musterhauspark in Graz und dem Neusiedler See. Zu sehen ist das Stück über die Bedeutung des Geschichtenerzählens in Zeiten der Isolation ab 12. Februar dann mittels VR-Brille, die dem Publikum per Fahrradkurier ins Haus gebracht und am Tag darauf wieder abgeholt wird. Totale Theater-Immersion im Wohnzimmer, da kann kein Pizzaservice mithalten. www.schauspielhaus-graz.com

Schaufenster-Kunst

Wegen Corona räumen zig Museen und Galerien Teile ihrer Ausstellungen einfach in Schaufenster. In Graz gibt es mit der schmalen „Schaufenstergalerie Scharf“ in der Stubenberggasse 7 schon seit 2017 ganz ohne pandemischen Zwang rund um die Uhr sichtbare Kunst. Das Literaturhaus Vorarlberg in Bregenz bietet sogar „Schaufensterpoesie“, nämlich wechselnde Kurzgedichte zum Thema „Licht“, zum Beispiel von Monika Helfer. facebook.com/Schaufenstergaleriescharf

Turbotheater Villach

Eigentlich geht das Turbotheater mit seinen maßgeschneiderten Stücken in die Klassenzimmer und bringt so Theater zu den Jugendlichen. Weil das derzeit nicht möglich ist, geht man trotzdem dorthin, wo das junge Publikum ist: auf Instagram. Andreas Thalers Stück „Swipe up“ über eine (Möchtegern-)Influencerin wird live auf Instagram für Schulklassen, die sich anmelden, gestreamt. Ob die Zuseher in der Klasse oder zu Hause sind, ist da egal, dank Kommentarfunktion kann in Echtzeit diskutiert werden. Buchbar (Oberstufenklassen): zentrale@turbotheater.at