Als die Wikipedia 2001 online ging, hätte wohl nicht einmal Mitgründer Jimmy Wales gedacht, dass sie einmal etablierte Nachschlagewerke wie den Brockhaus ablösen könnte. Das Ziel der freien Verbreitung lexikalischen Wissens ist ein laufender Prozess. Einen wesentlichen Anteil daran haben die zahlreichen aktiven Benutzer, wovon nur etwa neun Prozent Benutzerinnen sind.
Der Schritt vom Lesen und Stöbern in der Enzyklopädie bis zum Bearbeiten von Artikeln ist meist ein zufälliger, spontaner. Ein Rechtschreibfehler hier, eine inhaltliche Schwäche da, schon fallen die Hemmungen und man klickt erstmals auf das „Bearbeiten“-Feld in der oberen Bildmitte. Für regelmäßige Benutzer empfiehlt sich die Anlage eines Benutzerkontos, was eine ganze Reihe von Vorteilen – etwa den Zugriff auf eigene Statistiken – mit sich bringt. Wer den „Wikitext“, eine vereinfachte HTML-Alternative und die gemeinsame Sprache aller Wikis, beherrscht, wird schnell Gefallen daran finden, Bearbeitungen zu zählen, mit anderen Nutzern zu diskutieren und eigene Artikel anzulegen.
Kommentar von Thomas Golser
Was viele Leser nicht wissen: Die Inhalte der Wikipedia stehen zwar unter einer freien Lizenz, was aber nicht bedeutet, dass sie ohne Weiteres übernommen werden dürfen. Autoren müssen in jedem Fall genannt werden. Dazu lohnt sich ein Blick in das „Kleingedruckte“ unter jedem Artikel.
Das Erstellen eines neuen Artikels sollte gut überlegt sein. Entspricht er nicht den Relevanzkriterien, kann er zum Löschen vorgeschlagen und schließlich von einem Administrator entfernt werden. Administratoren sind die mächtigste Benutzergruppe der Wikipedia. Sie haben mehr Kompetenzen und werden von der Gemeinschaft gewählt. 180 gibt es davon momentan in der deutschsprachigen Wikipedia – bei insgesamt 19.000 aktiven Benutzern. Geld ist nicht ihr Antrieb, denn bezahltes Schreiben gilt als verpönt und wird bei Bekanntwerden mit einer Sperre geahndet.
Der Gedanke, sich – wenn auch nur digital – zu verewigen, spielt hingegen eine wichtige Rolle. Dass man als Wikipedia-Autor zum Versuchskaninchen werden kann, offenbarte eine Studie der Schweizer Wirtschaftswissenschaftlerin Jana Gallus im Jahr 2016. Beiträge zum Thema Schweiz wurden jahrelang mit der „Edelweiss-Auszeichnung“ honoriert. Bloß steckte hinter dem allzu locker vergebenen digitalen Orden kein erfahrener Mitarbeiter, keine Institution, sondern Gallus, die damit zeigen konnte, dass die Motivation für aufopfernde Arbeit nicht allein finanzieller Natur ist.
Wer entscheidet, sich in den Dienst der weltgrößten Online-Enzyklopädie zu stellen, sollte sich jedenfalls einer Sache bewusst sein: Es macht nicht nur Spaß, sondern auch süchtig.
Clemens Stockner