Das Video dauert nicht einmal acht Minuten: Arnold Schwarzenegger sitzt an einem Tisch und analysiert den Aufstand am Kapitol und die Gräben in der US-Gesellschaft, die Donald Trumps Präsidentschaft vertieft hätten. Schwarzenegger zieht den Vergleich mit der Nazizeit: „Es fängt mit Lügen, Lügen, Lügen an. Und mit Intoleranz.“ Er vergleicht die zerberstenden Glasscheiben am Regierungsgebäude in Washington mit jenen der „Reichskristallnacht“. Am Ende solcher Prozesse stehe der Verlust der Demokratie. „Nicht alle damals waren Nazis und Antisemiten, sondern Mitläufer.“ Schwarzenegger betont, dass er, der 1947 Geborene, selbst an den Folgen des Nationalsozialismus und Krieg gelitten habe. Sein Vater sei einer jener Männer gewesen, die versucht hätten, sich das Trauma des Weltkriegs wegzusaufen: Seelisch und körperlich versehrte Menschen, die der Familie gegenüber handgreiflich wurden.
Schwarzenegger: „Ich habe es meinem Vater gar nicht übel genommen, weil ich gesehen und gehört habe, dass überall in der Nachbarschaft das gleiche passiert.“ Schwarzeneggers eindrucksvolle Bewältigung persönlicher Vergangenheit ist nur Nebenaspekt des Videos, das mit einer Beschwörung der ureigensten amerikanischen Stärken schließt: dem unerschütterlichen Glauben an die Demokratie und daran, Probleme überwinden zu können.
Das Video wurde millionenfach abgerufen und lief auf CNN – in voller Länge. Der Kommentar der Sprecherin: „Schwarzenegger in einem seiner stärksten Filme.“ Tatsächlich steckt hinter diesem Bonmot eine Wahrheit, die am Innersten amerikanischer Politik rührt. Film und Politik sprechen dort eine zum Verwechseln ähnliche Sprache. Das bildet auch das nur scheinbar einfache, perfekt gemachte Video Schwarzeneggers ab. Die Stilmittel seiner politischen Brandrede sind durch und durch filmisch. Der Text ist mit pathetischer Musik unterlegt, die das Gesagte betont, Schwarzeneggers Rhetorik mit den bewusst gesetzten Pausen ist punktgenau auf den Effekt abzielend und die wenigen Schnitte sind genau kalkuliert. Die „Bühne“ und die Requisiten zeigen zudem überdeutlich die Vermischung zwischen Entertainment und Politik. Neben der US-Flagge hängt ein Foto aus Schwarzeneggers Zeit als Bodybuilder.
Das Pathos der US-Politik ist jene, die man früher aus dem Theater gekannt hat: die Anrufung einer größeren Macht, die quasireligiöse Gefühle weckt. Es gibt berühmte Beispiele wie Abraham Lincolns kurze und doch so machtvolle „Gettysburg Address“ und Martin Luther Kings wuchtige, durch ständige Wiederholung ins Riesenhafte wachsende Rede „I have a dream“. Es sind Beispiele für ein Formbewusstsein politischer Rede, die sich meilenweit über das Gequatsche und Gezänk der Tagespolitik erhebt.
Dieses Erhebende kennt man eben auch aus dem Hollywood-Kino. Regisseur Frank Capra (1897 – 1991) war der größte Meister darin, den Glauben ans Gute im Menschen, an Individualismus und Idealismus in bewegende Filmerzählungen zu gießen. Jedes Jahr zu Weihnachten zeigt man sein „Ist das Leben nicht schön?“, das propagiert, dass Gemeinschaft und Zusammenhalt wertvoller sind als Egoismus und Geldgier. Ein Film, der von der „New Deal“-Rhetorik der Roosevelt-Ära der 1930-er inspiriert ist, als Amerika nach der Weltwirtschaftskrise langsam den Glauben an sich zurückgewann. Auch dank der Filme Capras und ihren idealisierten Bildern von aufrechten Amerikanern. Amerikaner, deren Individualismus nicht mit Egoismus zu verwechseln ist, weil er eine Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft miteinschließt. Ganz nach dem Diktum von John F. Kennedy: "Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst."
Capras nachgeborener Kollege John Cassavetes hat einen Aphorismus über die Macht des Kinos geprägt: „Wir haben all die Jahre nicht an Amerika geglaubt, sondern an Frank Capra.“ Die Erzählung ist somit wichtiger geworden als die Realität. Oder wie ein anderer Film-Patriot, Regisseur John Ford, eine seiner Figuren, einen Zeitungsreporter, sagen lässt: „Wenn die Legende zur Wahrheit wird, druck die Legende!“ Das Narrativ, das Erzählte, und nicht schnöde Fakten werden zum Eigentlichen der Welt.
So inspirierend dieser Idealismus sein mag, die Inszenierung von Politik hat eine Schattenseite. Die Anrufung der Gefühle kann in den Dienst des Bösen gestellt werden. NS-Propagandaminister Joseph Goebbels war ein glühender Bewunderer Hollywoods, nicht wegen seiner Inhalte, sondern wegen seiner Form. Er hatte begriffen, wie wunderbar sich diese zur Manipulation von Menschen eignet.
Schwarzeneggers Worte sind zweifelsfrei grandios, ihre Machart steht in der großen, jedoch mitunter fragwürdigen Tradition des amerikanischen Kunstpathos’ und der Ästhetisierung von Politik. Der Kniff mit dem Schwert Conans sagt eigentlich alles: Schwarzenegger nimmt die Waffe des vom ihm in den 1980ern dargestellten Barbaren und sagt: „Unsere Demokratie ist wie dieses Schwert. Je öfter es gehärtet wird, desto stärker ist es.“ Das Sinnbild für Amerikas Demokratie ist – ein Filmrequisit.