Vor sieben Jahren starb ihre älteste Tochter Kate Berry bei einem Sturz aus dem Fenster. Lange verstummte Jane Birkin nach dem Schicksalsschlag. Ermuntert von ihrem Kollegen Étienne Daho, hat sie zum ersten Mal seit 2008 wieder ein Album mit eigenen Liedern aufgenommen. „Oh! Pardon Tu Dormais …“ heißt es, klingt überwiegend eher melancholisch, bisweilen aber auch erfrischend ruppig und textlich von schonungsloser Intimität.
Trauer spielt auch in Ihren neuen Liedern eine wichtige Rolle. Auf Ihrem Album „Oh! Pardon Tu Dormais“ sprechen Sie zum ersten Mal über den Tod Ihrer Tochter Kate, die 2013 einen Sturz aus dem Fenster nicht überlebte. Fiel es Ihnen schwer, diese Worte aufzuschreiben und zu singen, oder war das sogar eine Erleichterung?
Jane Birkin: Es fiel mir nicht schwer. Aber es brachte mir auch keine Katharsis. Die wird nicht kommen. Kates Tod ist ein Schmerz, der mich immer begleiten wird. Der geht nicht mehr weg. Ich schrieb die Worte, die ich jetzt etwa in „Cigarettes“ singe und die teilweise sehr harsch sind, schon vor Jahren in mein Tagebuch. Ich führe ja Tagebuch, seit ich denken kann, in Großbritannien haben wir jetzt den ersten Teil unter dem Titel „Munkey Diaries“ veröffentlicht.
Ihr letztes Album war 2017 eine symphonische Neubearbeitung der Lieder, die Serge Gainsbourg für Sie schrieb.
Jane Birkin:Ja, das war eine sehr schöne Erfahrung. Serge hat mich immer aufgemuntert und ermutigt, meine eigene Stimme zu finden. Natürlich habe ich während unserer gemeinsamen Zeit in erster Linie seine Emotionen interpretiert, aber er war ein besonderer Mann. Ich habe das gern getan. Serge war oft traurig, das hört man in seinen Chansons. Ich bin dankbar, dass wir nach dem Ende unserer Liebe befreundet geblieben sind. Vielleicht sogar besser und enger befreundet als in den Jahren, in denen wir zusammen waren.
Eine Platte mit eigenen Stücken hatten Sie zuletzt 2008 veröffentlicht. Wie kam es zu „Oh! Pardon Tu Dormais“?
Jane Birkin: Mit den Liedern von Serge tourte ich mehrere Jahre um die Welt. Ich hatte nicht vorgehabt, ein weiteres Album zu machen. Aber mein guter Freund Étienne Daho hat nicht aufgehört, mich zu beknien, und schließlich hat er mich zu dem Projekt überredet. Étienne und Jean-Louis Piérot haben die Musik geschrieben, von mir stammen die Texte. Etienne sagte, er liebe mein Theaterstück „Oh! Pardon Tu Dormais“. Ich zog mich zum Schreiben meist in unser Familienhaus in der Bretagne zurück.
Die Lieder sind sehr persönlich. Wie eng sind Ihr veröffentlichtes Tagebuch und dieses Album miteinander verwandt?
Jane Birkin: Sie sind sich vordergründig nicht so nah. Aber irgendwie sind sie es doch. Étienne und ich haben zum Beispiel das Thema Eifersucht aufgegriffen, über das ich in meinen Aufzeichnungen schreibe, und daraus das Stück „Telle est ma maladie envers toi“ gemacht.
Ist Ihnen die Eifersucht gut bekannt?
Jane Birkin: Eifersucht ist die dunkle Seite der Medaille. Du bist furchtbar verliebt und furchtbar glücklich, und im selben Augenblick bist du furchtbar eifersüchtig. Ich kenne dieses schreckliche Gefühl sehr gut. Aber Gott sei Dank ist das vorbei. Heute habe ich niemanden mehr in meinem Leben, auf den ich eifersüchtig sein könnte.
Nun ist Ihnen die Eifersucht abhandengekommen, weil die romantische Liebe fehlt?
Jane Birkin: So ist es. Die Liebe ist ein Delirium. Ich blicke zurück auf die eifersüchtige Frau, die ich einst war, und ich sehe ein wenig schmeichelhaftes Bild von mir. Die Person, die das Theaterstück „Oh! Pardon Tu Dormais“ geschrieben hat, ist nicht mehr die Person, die ich heute bin. Diese verzweifelte Liebe und die Angst, jemanden zu verlieren, das alles ist nicht mehr Teil meines Lebens. Ich bin nicht mehr verzweifelt im wirklichen Leben. Nur auf diesem Album, da bin ich sehr verzweifelt.
Sie haben einmal eine Liebesbeziehung mit einer Sucht verglichen.
Jane Birkin: Ich hatte unglaublich bereichernde, aber eben auch unvorstellbar dramatische Liebesverbindungen in meinem Leben. Ich muss das nicht mehr haben. Einige der Menschen, die ich liebte, sind Freunde geblieben. Ich habe es gut erwischt, ich empfinde Zufriedenheit und Dankbarkeit. Doch ich muss zugeben: Wenn ich alte Paare sehe, die auf der Straße Händchen halten, dann werde ich neidisch und denke: „Oh, wie süß.“ In diesen Momenten wünschte ich, das wäre ich. Aber ich war einfach nie die Art von Person, die es dauerhaft geschafft hat zu lieben. Ich bin sogar Serge davongelaufen. Was soll ich sagen? Meine Lieben hielten nie.
Wissen Sie, woran das lag?
Jane Birkin: Damit eine Ehe oder eine Beziehung funktioniert, musst du Konzessionen eingehen, immerzu Kompromisse machen. Das lag mir nicht. Meine Schwester, die kann das. Linda ist so ein glückliches Mädchen. Nie scharf auf Dinge, die andere haben. Glück mit dem, was sie hat. Sie liebt ihren Ehemann noch immer. Linda ist ein Mensch, mit dem jeder gern verheiratet wäre. Dagegen ich? Nein. Wirklich nicht.
Steffen Rüth