Die Eltern, als junge Menschen geflüchtet von dort, wollen am Ende ihres Weges wieder dorthin: in die ungarische Heimat, in das Haus am See, in den Garten, wo nicht nur die Früchte liegen, sondern all die Erinnerungen. Die Tochter bringt sie von Frankfurt ins ungarische Dorf. Doch der Tod reist mit, die Krebserkrankung des Vaters verschlimmert sich, statt im Garten findet er sich auf der Intensivstation wieder.
Es ist keine Fiktion, die Zsuzsa Bánk da in ihrem neuen Buch „Sterben im Sommer“ niedergeschrieben hat, kein Roman, sondern die berührende, aber nie auch nur annähernd rührselige Chronik des angekündigten Todes ihres eigenen Vaters László, der 2018 im Alter von 85 Jahren gestorben ist.
„Ich bin aufgebrochen, um meinen kranken Vater in seinen Ungarnsommer zu fahren. Ihn im Dorf abzusetzen, vielleicht an den Balaton mitzunehmen.“ Die Sprache von Zsuzsa Bánk ist schlank, glasklar, ungetrübt von Klischees und billigen Abschiedsplattitüden, umso deutlicher kommen die schmerzhafte Unruhe und tiefe Wehmut an die Oberfläche. Die großen Fragen, sie stellen sich, aber sie sind nicht beantwortbar, noch nicht: Wie verändert der Tod des Vaters, der Eltern, das eigene Leben? Wie ist das Fortgehen jener Menschen, die einem das Leben geschenkt haben, begreifbar und verkraftbar?
Die Tochter, die Autorin, stellt sich dem Unausweichlichen, doch gegen das Versöhnliche, gegen die sogenannte Gnade des Todes, verwehrt sie sich, tobt dagegen an. „Nein, es gibt kein gutes Ende. Ja, jedes Ende ist grausam.“ Der Vater schwindet, immer weniger wird er, zuerst der Körper, dann der Geist. Mit großer Zärtlichkeit begleitet Zsuzsa Bánk diese Auslöschung des geliebten Menschen, aber auch mit flammender Wut; einer Wut, der man, wenn überhaupt, nur mit dem geschriebenen Wort beikommen kann.
Doch nicht nur das Verschwinden des Einzelnen beschreibt Bánk, in die Betroffenheit dieses Abschieds mischt sich die Frage nach dem Weiterleben, nach dem fragilen Gefüge der Familie. Was passiert, wenn ein Teil aus dem Ganzen gerissen wird? Was kann gerettet werden, was geht unwiederbringlich verloren? So viele Fragen. Die Antworten liefert auch dieses Buch nicht. Das ist die Stärke dieser Autorin. Sie hat die Größe, zu sagen: „Ich weiß es nicht.“ Der Rest ist wohltuendes Schweigen.
Buchtipp: Zsuzsa Bánk. Sterben im Sommer.
S. Fischer, 240 Seiten, 22,90 Euro.