Change. Veränderung. Auch im Pop-Kosmos ist dieses Wort – das wir natürlich nur dann mögen, wenn es eine Veränderung zum Besseren bedeutet – allgegenwärtig. In zahlreichen Songs von den 50er-Jahren bis in die Jetztzeit, aber der Change-Prozess ist auch genre-immanent. Populärmusik möchte nicht nur unterhalten, sondern auch etwas bewirken, etwas verändern.
Popmusik war immer, auch wenn das heute nicht mehr so gegenwärtig ist, Aufbegehren gegen bestehende Strukturen und Zustände. Kurz und bündig: Die Jungen revoltierten mit ihrem Soundtrack (und ihrem Aussehen) gegen die Alten. Popkultur ist Jugendkultur, Popkultur ist „Anti“. Gegen die Verkarstungen des Establishments, gegen das Biedermeier in den elterlichen Wohnzimmern, aber auch gegen Krieg, gegen soziale Ungerechtigkeit, stattdessen für Rassen- und Geschlechtergleichheit, für offene Köpfe und offene Lebensformen, für Selbstverwirklichung, für Fantasie.
In den 50er- und 60er-Jahren war die Musik stark politisch aufgeladen. Der Song „A Change Is Gonna Come“ von Sam Cooke aus dem Jahr 1964 wurde zur Hymne der Bürgerrechtsbewegung. Heutige Realitäten zeigen freilich, dass diese Veränderung noch immer auf sich warten lässt.
Ebenfalls aus dem Jahr 1964 stammt der Bob-Dylan-Song „The Times They Are A-Changin’“ vom gleichnamigen Album. Obwohl Dylan damals die hymnisch verehrte Ikone der Protestbewegung war – ein Korsett, aus dem er sich bald befreien sollte –, ist sein Song nicht explizit politisch, vielmehr geht es darum, dass das Leben als solches ein permanenter Veränderungsprozess ist.
David Bowie wiederum spricht in seinem Song „Changes“ aus dem Jahr 1971 und dem „Hunky Dory“-Album die Notwendigkeit der lebenslangen künstlerischen Veränderung an und dass man sich als Musiker immer wieder häuten und neu erfinden muss. „Turn And Face The Strange“ – sich dem Fremden, Ungewohnten zuwenden und stellen als Grundvoraussetzung für Weiterentwicklung und glaubwürdiges Wachstum. Im Fall von David Bowie, der bis zu seinem Tod 2016 in zahlreiche Rollen geschlüpft ist, nicht nur ein Song, sondern ein Statement.
Auch im aktuellen Mainstream-Pop ist die Veränderung ein gerne besungenes Thema, wobei es dort eher um individuelle Befindlichkeiten geht als um das große Ganze. Taylor Swift etwa hofft in ihrem Song „Change“ auf die Überwindung von Hindernissen und dass der Weg zum Sieg nicht allzu beschwerlich sein möge. Justin Bieber hat gleich sein ganzes neues Album (2020) unter dieses Motto gestellt und damit tatsächlich neue musikalische Pfade beschritten, ohne sich allzu weit von seiner Fangemeinde zu entfernen. Sein Vorgängeralbum hieß „Purpose“, auch ein gerne verwendeter Begriff, nicht nur in der Musikwelt.
Und dass jede Veränderung, jeder Wandel auch mit Mut einhergehen sollte, davon singt Sia in ihrem aktuellen Song „Courage To Change“. Wobei der australische Paradiesvogel die Egozentrik wieder aufbricht und den (notwendigen) Veränderungswillen des Einzelnen auf den malträtierten Planeten Erde bezieht, um den es schlecht bestellt ist, wenn wir nicht einen individuellen Change-Prozess einleiten.
Am stärksten manifestierte sich die Veränderung im Pop in den letzten Jahren aber nicht am Gehörten, sondern in der Art und Weise, wie beziehungsweise über welches Medium wir etwas hören. Durch den Triumphzug der Streamingdienste haben sich die Hörgewohnheiten radikal verändert – und dadurch auch die Musik selbst. Das ist an einem kleinen Detail gut festzumachen: In den 80er-Jahren war das Intro zu einem Song noch bis zu 30 Sekunden lang, heute existiert diese „Einleitung“ kaum noch.
Geschuldet ist das unserer Aufmerksamkeitsspanne, die immer kürzer wird. Der Durchschnittshörer will ohne Zeitverlust sofort zum Song gelangen, um ihn dann seiner Playlist hinzuzufügen – oder eben nicht. Musiker müssen also möglichst schnell auf den Punkt kommen, damit sie ihr Publikum überhaupt erreichen. Und da Audiostreaming längst das größte Umsatzsegment auf dem Musikmarkt ist, lautet das Motto: Zeit ist Geld. Übrigens, es gibt natürlich auch zahlreiche Playlists zum Thema „Change“. Reinhören, schnell!