In der Wiener Staatsoper war das Verismo-Operndoppel "Cavalleria Rusticana" und "Pagliacci" unter anderen mit Superstar Roberto Alagna angesetzt. Kurz vor der Pause, die gegen 20.40 Uhr startete, seien erste Gerüchte über eine Schießerei durchgesickert, berichtete eine Sprecherin der APA. Die Idee, den Abend abzubrechen, verwarf man aber und entschied sich angesichts der Umstände für das Weiterspielen.
So erfuhren viele der Operngäste erst nach dem Schlussapplaus von Direktor Bogdan Roscic vom Ernst der Lage, als sich dieser vor den Vorhang begab und die Anordnung der Sicherheitsorgane verkündete, dass aufgrund des Terroranschlags derzeit niemand das Haus verlassen solle. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich alleine 1000 Zuschauer im ausverkauften Saal, zu denen noch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Oper kamen.
Markante Ruhe
Im Anschluss wurden die Buffets des Hauses geöffnet. Markant sei die ruhige Stimmung der Besucher gewesen, berichtet die Staatsopern-Sprecherin, die am Abend selbst vor Ort war. Von Hysterie oder Panik sei nichts zu spüren gewesen. So sei auch nach der Roscic-Durchsage weiter applaudiert worden. Über den weiteren Abend hinweg hielt der Direktor die Anwesenden via Durchsage über den aktuellen Stand am Laufenden.
Kinder verließen als erste das Haus
Die erste Gruppe, die das Haus verlassen konnte, waren dann die an der Aufführung beteiligten Kinder. Deren Eltern konnten unter Schutz der Polizei zufahren und die Kleinen gegen 23.15 Uhr in Empfang nehmen. Gegen 23.45 Uhr konnte schließlich die erste Gruppe an Gästen die Staatsoper verlassen - via U-Bahn. Ein Sonderzug mit vier Waggons wurde mit Fahrtrichtung Hütteldorf zur Verfügung gestellt, was eine Mehrheit der Anwesenden nutzte. Kurz vor 0.30 Uhr wurden dann zwei weitere Garnituren Richtung Hütteldorf respektive Heiligenstadt zur Verfügung gestellt, um die letzten Verbliebenen aus dem Gebäude evakuieren zu können.
Eingangstüren nach außen verschlossen
Die Direktion des Burgtheaters war bereits frühzeitig mit der Polizei in Kontakt, so die Sprecherin des Hauses, die die Ereignisse selbst im Burgtheater miterlebte. Man sei gebeten worden, in Akademie- und Burgtheater, wo zu diesem Zeitpunkt Vorstellungen von "Der Henker" und "Das Himmelszelt" in Gang waren, die Eingangstüren von innen zu verschließen, so dass diese nur als Fluchtwege zu benutzen seien. Es wurde empfohlen, die Besucher zu bitten, nach der Vorstellung bis auf weiteres in den Gebäuden zu bleiben.
Spontane Publikumsgespräche
Im Burgtheater informierte Direktor MartinKusej die Zuschauer persönlich. Der Theaterchef habe ohnedies geplant gehabt, gemeinsam mit der Ensemblevertretung angesichts des bevorstehenden Lockdowns zu den Besuchern zu sprechen, hieß es. Im Akademietheater übernahm diese Information der Abenddienst. "Die Leute waren sehr kooperativ und sind sehr ruhig geblieben", so die Sprecherin. Man habe schließlich Wasser verteilt bzw. die Pausenbüfetts zum Erwerb von Getränken geöffnet, wobei immer wieder auf Einhaltung der notwendigen Abstände hingewiesen worden sei. In beiden Häusern habe man gemeinsam mit den Schauspielern spontan Publikumsgespräche abgehalten, wobei neben produktionsbezogenen Fragen natürlich auch die Situation der Theater im Lockdown zum Thema gemacht worden sei.
Polizeischutz bis zur U-Bahn
Nach knapp dreistündiger Wartezeit sei das Burgtheater gegen 0.45 Uhr evakuiert worden, im Akademietheater bereits früher. Dort seien die Besucher unter Polizeischutz zur U-Bahn-Station Stadtpark geleitet worden, wo bereits ein U-Bahn-Sonderzug gewartet habe. Vom Burgtheater seien die Besucher zur U-Bahn-Station Schottentor geleitet worden.
Grubinger im Konzerthaus
Im direkt neben dem Akademietheater gelegenen Wiener Konzerthaus waren knapp 1.000 Musikfreunde von der Sperre angesichts des nahegelegenen Terrors betroffen. Hier war ein Doppelkonzert von Starpercussionist Martin Grubinger mit der Bläserphilharmonie Mozarteum Salzburg angesetzt. Während die Besucher des ersten, gegen 20 Uhr beendeten Konzerts das Haus noch unbehelligt verlassen konnten - darunter auch Intendant Matthias Naske - saßen die Gäste der Nachfolgeveranstaltung fest. Grubinger und seine Mitstreiter hatten bis rund 22 Uhr gespielt. Laut ORF-Redakteur Bernt Koschuh, der das Konzert besuchte, wusste Grubinger schon vor dem Publikum von dem Anschlag und soll zusätzliche Zugaben gespielt haben, um den Konzertabend zu verlängern.
Die Anwesenden wurden mit Getränken versorgt und gebeten, das Haus nicht zu verlassen - eine Aufforderung, der sehr ruhig nachgekommen worden sei, berichtet eine Sprecherin der APA. Gegen Mitternacht konnte der Konzertbau dann evakuiert und die Anwesenden von der Polizei zur U-Bahn eskortiert werden.
Glück im Unglück
Glück angesichts der Umstände hatten die Besucher des gestrigen Konzerts der Wiener Symphoniker im Goldenen Saal des Musikverein. Da hier die Veranstaltung kurz vor 20.30 Uhr aus war, konnten diese Gäste noch unbehelligt den Musikverein verlassen - nicht so jene, die sich zum Bluesmusiker Hans Theessink im Gläsernen Saal eingefunden hatten.
Theessink hatte als letztes geplantes Konzert vor dem Lockdown erst gegen 20 Uhr begonnen - worauf die rund 100 Konzertgäste im Anschluss zunächst festsaßen. Man habe die Menschen mit Getränken versorgt und Neo-Intendant Stephan Pauly sich unter die Gruppe gemischt, hieß es auf Nachfrage aus dem Musikverein. Gegen 0.20 Uhr konnte dann diese letzte Gruppe an Musikfreunden das Haus nahe der Ringstraße verlassen.
Chaos in den Kammerspielen der Josefstadt
Verwirrung gab es in der Nacht rund um die Lage in den Kammerspielen der Josefstadt. So wurde auf der offiziellen Facebook-Seite des Theaters gepostet: "Die Kammerspiele wurden um 20:00 Uhr von der WEGA evakuiert. Das Publikum wurde in einen Schutzraum gebracht. Sollten sich Ihre Lieben nicht auf dem Heimweg befinden, sind sie dort. Machen Sie sich keine Sorgen." Unmittelbar darauf folgte in den Kommentaren ein Dementi der Schauspielerin Sona MacDonald, die an dem Abend mit Martin Niedermair im Marlene-Dietrich-Abend "Engel der Dämmerung" auf der Bühne stehen sollte: "Dies sind Unwahrheiten! Es gab keinen Schutzraum für das Publikum", postete die Schauspielerin.
"Keine Rede von Schutzraum"
Auch zahlreiche Besucher der Vorstellungen posteten Gegenteiliges: "Uns ging es wie den anderen Gästen, von einem Schutzraum war keine Rede. Wir gingen dann in Richtung Stubentor und Urania. Unsere Jacken sind ebenfalls im Theater, kann man die irgendwann abholen?" Ein anderer Besucher schrieb: "Schutzraum??? Wir wurden von der Polizei aufgefordert, Richtung Fleischmarkt zu laufen. Von einem Schutzraum höre ich zum ersten Mal...". Oder auch: "Schutzraum??? Meine Oma wurde aufgefordert das Theater zu verlassen und ist dann 2 Stunden durch die Innenstadt geirrt!" Das Social-Media-Team des Theaters antwortete einigen Usern, darunter: "Das tut uns leid, wir haben diese Info erhalten...."