e - c - dis - e: Nur vier Töne, aber ein unauslöschliches Leitmotiv für einen legendären Film, für das Genre Western, für das Kino schlechthin. In „Spiel mir das Lied vom Tod“ bläst ein rätselhafter Fremder mit tiefgezogenem Cowboyhut (Charles Bronson) nicht nur klagend, anklagend die Mundharmonika, er heißt sogar so.
Der 1968 gedrehte Streifen war nach „Für eine Handvoll Dollar“ (1964) und „Zwei glorreiche Halunken“ (1966) der dritte und größte von vielen Würfen zweier kongenialer Schulfreunde: hier Sergio Leone, dort Ennio Morricone. Darin ließ der Komponist mit seiner Nackenhaar sträubenden Melodie wissen, dass gleich Blei um die Ohren fliegt. Man hört den Klang und sieht das Bild: High Noon. Ein perfekter Code.
Aus seinen Kompositionen wurde aber rasch mehr als „die Fleischsauce zu den Spaghetti-Western“, wie das US-Magazin „The New Yorker“ Morricones Filmmusiken einmal liebevoll respektlos nannte. Pasolini, Bertolucci, DePalma, Polanski, Eastwood, Tornatore und zig andere große Regisseure bauten auf den König der Soundtracks, der sein Zepter stets eigenwillig schwang und sich immer wieder neu erfand: „Wenn man sich durch die Filme blättert, an denen ich gearbeitet habe, sieht man, dass ich ein Spezialist für Western, Liebesfilme, Politfilme, Actionfilme, Horrorfilme und so weiter war. Mit anderen Worten: Ich bin gar kein Spezialist, weil ich alles gemacht habe. Ich bin ein Musikspezialist.“
Insgesamt mehr als 500 Filmmusiken schuf der Römer, aber es sollte nach fünf erfolglosen Nominierungen bis 2007 dauern, dass er seinen ersten Oscar einheimste. „Wird auch langsam Zeit“, soll Morricone damals geraunt haben, als er erfuhr, mit einem Goldmännchen für sein Lebenswerk „ein kleines Loch in meiner Sammlung stopfen zu können, das immer geblieben ist“. 2016 kam für die Musik zu Quentin Tarantinos „The Hateful Eight“ dann auch noch ein „echter“ Oscar hinzu.
An der berühmten Accademia di Santa Cecilia in Rom hatte Morricone während des Zweiten Weltkrieges inskribiert, um Komposition, Trompete und Chormusik zu studieren. Zu seinen „Lehrern“ gehörten aber auch Palestrina, Bach oder Strawinsky. Darum schrieb der Unermüdliche, der übrigens in einem anderen Leben gern Schachweltmeister geworden wäre, neben höchst erzählerischer Film- und Bühnenmusik immer auch Kammermusik für Solisten und diverse Formationen, Lieder, Chorstücke, Kantaten und Messen.
Zuletzt wollte Morricone, dem Anfang Juni neben seinem US-Branchenkollegen John Williams der renommierte Prinzessin-von-Asturien-Preis zuerkannt wurde, weniger komponieren und mehr dirigieren, schuf aber noch eine Hommage an die 43 Todesopfer der 2018 eingestürzten Morandi-Brücke in Genua. Das Chor-Orchester-Werk „Viele Steine als Erinnerung“ wird Ende Juli aufgeführt – am Tag vor der Einweihung des vom Stararchitekten Renzo Piano geplanten Neubaus.
Der Mann, der so viel Musica Paradiso ins Kino brachte, starb gestern im Alter von 91 Jahren an den Folgen eines Oberschenkelhalsbruchs nach einem Sturz. Den Text seiner Todesanzeige konnte er noch selbst verfassen: „Ich, Ennio Morricone, bin gestorben. Das kündige ich allen Freunden an, die mir stets nahe gestanden sind und auch jenen, die ferner sind und die ich mit großer Liebe grüße“.
Sein letzter Gedanke galt seiner Familie und da besonders seiner Frau Maria, mit der er seit 1956 verheiratet war und die ihm drei Söhne und eine Tochter schenkte. „Ich beteuere ihr meine außerordentliche Liebe, die uns zusammengehalten hat und die ich schweren Herzens verlasse. Ihr gilt mein schmerzhaftester Abschied“.
Michael Tschida