Unser erstes Zusammentreffen fand im Jänner 1968 statt, in der Bar des Hotels Bristol in Salzburg. An verschiedenen Schauplätzen im schönen Salzburger Land ließ Metro Goldwyn Mayer damals den Agententhriller „Where Eagles Dare“ (deutscher Titel: „Agenten sterben einsam“) drehen, mit Richard Burton in der Hauptrolle. Die Produktionsfirma hatte zu einem Meeting mit dem Star an die Salzach eingeladen, aber Mister Burton ließ sich nicht und nicht blicken, verbrachte seine drehfreie Zeit lieber mit seiner schönen Ehefrau Elizabeth Taylor und dem Konsum der bestmöglichen Wodka-Marke.
Der Produktionschef, schon leicht verzweifelt, schlug daher vor: „Wisst ihr, was? Ich schick’ euch den Langen. Der redet zwar nicht viel, ist aber ein sehr netter Kerl.“ Und dann kam der Lange in die Bar, war wahnsinnig nett und in der Tat kein Dampfplauderer, aber innerhalb der nächsten zwei Stunden kam doch einiges zusammen. Der Lange: Burtons Hauptpartner Clint Eastwood, mittlerweile mehrfacher Oscar-Preisträger und nicht nur ein exzellenter Schauspieler, sondern auch ein hochgeschätzter Produzent, Regisseur und sogar Sänger und Filmkomponist.
Vor „Agenten sterben einsam“ hatte sich der Kalifornier aus San Francisco mit der Serie „Rawhide“ einen Namen gemacht. „Zu dieser Hauptrolle“, erzählte er am Kamin im Bristol, „war ich durch Zufall gekommen. Ich besuchte in den VBS-Studios einen Freund. Dort sah mich einer der Studiochefs und sagte: ‚Du siehst aus wie ein Cowboy, ich habe eine Rolle für dich.' Kurz darauf war ich engagiert, und von dieser Western-Serie entstanden insgesamt 117 Episoden“.
Der Western blieb auch in der Folge sein Schicksal, als ihn der italienische Regisseur Sergio Leone für den Italo-Western und Filme wie „Für eine Handvoll Dollar“ und „Für ein paar Dollar mehr“ entdeckte und ihm lächerliche 15.000 Dollar als Gage bezahlte. Überraschendes Geständnis in Salzburg: Die berühmten Zigarren in den so genannten Spaghetti-Western stammten aus Österreich! Es waren Virginier made in Austria: „Mir waren sie in einem Laden in Beverly Hills aufgefallen, weil sie so schön handgemacht wirkten. Außerdem ließen sie sich ideal in drei Teile schneiden, weil ich in den Filmen ja immer nur Stummel in den Mundwinkeln hatte.“
Ein weiteres Treffen mit dem Big Star fand im Rahmen der Berlinale 2007, nach einem Dinner mit Entrecote und Rosmarin Kartoffel und Rotkraut sowie viel Bier im österreichischen Restaurant „Lutter & Wegener“, statt. An der Spree hatte Clint Eastwood außer Konkurrenz seinen Film „Letters From Iwo Jima“ gezeigt, wo die Weltkriegs-Schlacht um die japanische Insel (7000 gefallene Amerikaner, 20.000 tote Japaner) aus japanischer Sicht und in japanischer Sprache (!) gezeigt wurde. Eastwood damals: „Vorher hatte ich ja in ‚Flags Of Our Fathers’ die damaligen Geschehnisse aus amerikanischer Sicht gezeigt. Beide Male wollte ich falsches Heldentum vermeiden. ‚Doc’ Bradley etwa, Hauptfigur aus dem ersten Film, wurde als Held herumgereicht. Das hat auch ihn selbst sehr irritiert. Meine persönlichen Helden suche ich lieber woanders. Unlängst etwa sah ich in den TV-News einen Feuerwehrmann, der auf dem Weg nach Hause an einem brennenden Auto vorbeikam, stehen blieb und den hilflosen Insassen rausholte. Solche Menschen sind für mich wirkliche Helden.“
Er selbst möchte gar kein Star sein: „Star? Was ist das schon? Beim Film ist die Story der Star. Und wenn die Geschichte schlecht ist, kann sie auch der verlässlichste Kassenmagnet nicht aus dem Feuer holen“, erklärte er mir.
2010: „Space Cowboys“ beim Festival in Deauville. Eine abenteuerliche Weltraum-Story. Die 22. Regiearbeit von Clint Eastwood, eine seiner erfolgreichsten Produktionen. Er war mit seinen Stars Tommy Lee Jones, James Garner und Donald Sutherland in die Normandie gekommen. Alle drei glücklich, dabei gewesen zu sein. Garner: „Eigentlich war ich schon viel zu müde für ein so großes Projekt. Aber was machst du, wenn ein Clint Eastwood anruft? Da springst du aus deinem Schaukelstuhl und läufst und läufst und läufst“.
Zeitnah zu „Space Cowboys“ präsentierte Clint Eastwood in London seine Nelson-Mandela-Saga „Invictus“ mit Morgan Freeman und Matt Damon. Vor dieser Regiearbeit hatte Eastwood gar nicht so viel über Mandela gewusst: „Nur das, was ich in Zeitungen gelesen oder in den TV-Nachrichten gesehen hatte. Erst ein Besuch in seiner ehemaligen Zelle auf Robben Island machte mir klar, welches Kaliber dieser Mann war. Eine kleine Zelle ohne eigene Toilette und tagsüber Steine klopfen oder Arbeit in den Minen. Und was machte dieser Mann nach nahezu 28 Jahren Gefängnisaufenthalt? Er kam raus und sprach sich für Verzeihung und Vergebung aus. Er war zweifellos einer der außergewöhnlichsten Menschen auf dieser Welt“.
Eine meiner Fragen damals: „Haben Sie nicht einmal erklärt, dass Sie als Schauspieler aufhören wollten?“ Die Antwort: „Schon, aber dann gab es in ‚Million Dollar Baby’ eine so schöne Rolle. Und in ‚Gran Torino’ wieder, das war sogar ein Mann in meinem Alter. Wenn Sie wollen, versichere ich Ihnen gerne noch einmal, dass sich der Schauspieler Clint Eastwood zurückzieht. Doch am besten ist, Sie glauben es mir nicht.“
Mit Corona-bedingter Verspätung kommt demnächst sein neuestes Opus „Der Fall Richard Jewell“ – Thema: mehr Angst vor dem Staat als vor Terror – in die Kinos. Schon tauchte wieder die Frage auf, ob das sein allerletzter Film sein würde. Was müsste geschehen, dass dies der Fall wäre? „Das kann ich exakt beantworten. Jemand müsste mir eine Pistole an die Schläfe halten und mich dazu zwingen“.
Ludwig Heinrich