Der Schriftsteller und Dramatiker Rolf Hochhuth ist tot. Er starb am Mittwoch im Alter von 89 Jahren in Berlin, wie sein Herausgeber Gert Ueding am Donnerstag der dpa mitteilte. Der Tod wurde der Deutschen Presse-Agentur auch aus dem Umfeld Hochhuths in Berlin bestätigt. Hochhuth gehörte zu den umstrittensten deutschen Theaterautoren der Nachkriegszeit. Hochhuth sei überraschend gestorben, sagte Ueding. Er habe keine Vorerkrankungen gehabt. Er habe sich am Vormittag sehr unwohl gefühlt und seine Frau benachrichtigt. Hochhuth sei dann in seiner Wohnung gestorben.
Bereits sein erstes Schauspiel "Der Stellvertreter" über den Vatikan hatte für Kontroversen gesorgt. Darin gab er der katholischen Kirche eine Mitschuld am Holocaust. Uraufgeführt wurde es 1963 an der Berliner Freien Volksbühne, die Inszenierung übernahm Erwin Piscator. Diese Uraufführung löste die bis dahin größte Theaterdebatte in der Bundesrepublik Deutschland aus, auch international kam es bei Aufführungen zu Tumulten. Für eine erfolgreiche Inszenierung am New Yorker Broadway im Februar 1964 wurde Produzent Herman Shumlin mit einem Tony Award ausgezeichnet. Hochhuths Stück wurde 2002 mit Ulrich Tukur in der Hauptrolle verfilmt.
Auch in anderen Stücken wie "Soldaten, Nekrolog auf Genf" über den englischen Premierminister Winston Churchill, "Unbefleckte Empfängnis", "Wessis in Weimar" oder "McKinsey kommt" über Massenentlassungen bezog er zu gesellschaftspolitischen Themen Stellung.
"Holocaust kann nie vergessen werden"
Geboren wurde Hochhuth am 1. April 1931 als Sohn eines Schuhfabrikanten im hessischen Eschwege. Aufgewachsen unter dem NS-Regime, wurde die deutsche Vergangenheit sein bestimmendes Lebensthema. "Der Holocaust kann nie vergeben und vergessen werden", sagte er einmal. Zunächst arbeitete er in Buchhandlungen und als Lektor. Das Schauspiel "Der Stellvertreter" wurde zum Welterfolg.
Seine Recherchen zu dem Stück "Juristen" über die Rolle früherer Nazi-Richter in der Bundesrepublik führten 1978 zum Rücktritt des damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten und früheren Marinerichters Hans Filbinger. Er veröffentlichte im Laufe seines jahrzehntelangen Schaffens auch Essays und Gedichte.
Hochhuth machte auch mit teils bizarren Auftritten auf sich aufmerksam - etwa mit seinen später wieder zurückgenommenen Lobeshymnen auf den britischen Historiker und Holocaust-Leugner David Irving oder mit seinem polternden Austritt bei der Berliner Akademie der Künste wegen eines Israel-kritischen Gedichts von Günter Grass. Er lieferte sich auch einen langen Streit mit den Nutzern des Berliner Theaters am Schiffbauerdamm ("Berliner Ensemble"), das ihm über eine Stiftung gehörte. Und selbst mit den eigenen Söhnen redete Hochhuth, der insgesamt vier Mal verheiratet war, nicht mehr - "weil sie nicht mit mir reden", wie er 2016 bei der Leipziger Buchmesse sagte.
Als eine Art eigene Lebensbilanz gab er zum 85. Geburtstag nach zahlreichen Essay- und Gedichtbänden "Das Grundbuch" mit 365 Sieben- bis Zwölfzeilern heraus. In bisweilen etwas holprigen Versen geht es um Politik und Geschichte, Pen und Penis, Frauen und Venushügel - aber immer wieder fast anrührend auch um die Angst vor dem Ende: "Niemand wird mich bald noch spielen, lesen - bin ich überhaupt gewesen?"