Nie wird der Bewerb so wichtig gewesen sein wie im Jahr danach“, sagt Hubert Winkels. Der deutsche Literaturkritiker ist Vorsitzender des für heuer ausgesetzten Bachmannpreises und überzeugt davon, dass 2021 in Klagenfurt wieder um den mit 25.000 Euro dotierten Preis gelesen wird: „Jetzt steht das Versprechen besonders fest im Raum.“ Im Gegensatz zu fünf seiner Mitjuroren, die sich in einem offenen Brief gegen diese Aussetzung ausgesprochen haben, hat der 64-Jährige dafür Verständnis: „Ich halte die Entscheidung des ORF, was das Live-Ereignis Bachmannpreis angeht, für unvermeidlich angesichts der gesundheitlichen Situation“, sagt Winkels, der sich gewünscht hätte, dass man die Jury in die Entscheidung eingebunden oder „wenigstens vor der allgemeinen Öffentlichkeit“ informiert hätte.
Der Forderung seiner Jury-Kollegen Klaus Kastberger, Brigitte Schwens-Harrant, Philipp Tingler, Michael Wiederstein und Insa Wilke, eine „alternative, mit den Ausgangsbeschränkungen zu vereinbarende Möglichkeit“ zu finden, steht er zwar nicht ablehnend, aber doch zurückhaltend gegenüber. Unter anderem findet er die Skepsis seiner Mitjurorin Nora Gomringer – sie hat den offenen Brief ebenfalls nicht unterschrieben – nachvollziehbar, dass „bei einem funktionierenden Ersatz der Live-Darstellung die Kritiker einer TV-Ausstrahlung, die es ja von ORF bis ZDF gibt, Morgenluft wittern und auch künftig die Fernsehübertragung unterbinden wollen.“
Laut ORF-Kärnten-Chefin Karin Bernhard wäre angesichts der derzeitigen Situation eine alternative Durchführung aber ohnehin schwierig. Man arbeite in drei voneinander getrennten Teams, um den Sendebetrieb auch bei weiterer Ausbreitung des Virus aufrechterhalten zu können: „Priorität ist, die Menschen zu informieren, und das mit dem bestehenden Personal“, betont Bernhard, die derzeit davon ausgeht, dass „dieser Ausnahmezustand höchstwahrscheinlich mindestens bis Sommerbeginn beibehalten wird“. In ihrer Antwort an die fünf Juroren schreibt sie: „Um nur ansatzweise eine halbwegs würdige Übertragung durchzuführen, bräuchten wir Kameraleute und Techniker, die bei den einzelnen Protagonisten des Bewerbs vor Ort wären. Wackelige Handybilder oder verschwommene Skype-Bilder, die ohnehin permanent ausfallen, und krachende Mikrofone und Tonaussetzer sind keine Lösung für eine Veranstaltung dieser Größenordnung.“
Kritik an der diesjährigen Absage kommt außerdem von der IG Autorinnen und Autoren, die befürchtet, der ORF baue „sein Literaturprogramm auch über die jetzige Krisensituation hinaus ab“.