Über Jahre hinweg lag das Wiener Künstlerhaus im Dornröschenschlaf. Wegen chronischer Geldnot bei der Gesellschaft bildender Künstlerinnen und Künstler Österreichs, die das Haus ab 1865 im Stile einer Renaissancevilla errichten ließ, verfiel das Baujuwel zusehends: Die Fassade vis-à-vis von Musikverein und Karlskirche bröckelte, Wand- und Deckenmalereien mussten übertüncht werden und auch der originale Terrazzoboden ging verloren. Doch 2015 trat Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner als Retter auf den Plan. Nach zähen Verhandlungen mit der 500-köpfigen Künstlervereinigung erwarb der Baulöwe 74 Prozent der Liegenschaft und begann die „Ratzenburg“ (HPH) auf eigene Kosten zu sanieren. Ziel des Kraftaktes war die Wiederherstellung des Urzustandes sowie die Erweiterung des denkmalgeschützten Baus um moderne Errungenschaften wie Brandschutztüren, Rollstuhllifte etc.
Rund 30 Millionen Euro hätte die Runderneuerung ursprünglich kosten sollen, 57 Millionen sind es geworden. Mehrmals musste die Wiedereröffnung verschoben werden. Doch heute Abend ist es endlich so weit. Mit der Ausstellung „Alles war klar“ öffnet man feierlich die Pforten. Gezeigt werden bis 6. September Werke von Lore Heuermann, Michael Kos, Elke Krystufek oder Martin Kippenberger, die sich vor allem mit der wechselvollen Geschichte des Hauses auseinandersetzen.
Als Gegenleistung für ihren Millioneneinsatz erhielt die Haselsteiner-Privatstiftung großzügige Nutzungsrechte. Während die Künstlervereinigung, die seit letzten Sommer von der Kärntnerin Tanja Prušnik geleitet wird, das Obergeschoß des Künstlerhauses bespielt, stehen der Stiftung Erd- und Untergeschoß zur Verfügung. Als prominenter Partner konnte die Albertina gewonnen werden, die in der neuen Dependance neben eigenen Beständen auch große Teile der Sammlung Essl zeigen wird. Diese hatte Haselsteiner im Zuge der Baumax-Turbulenzen von Firmengründer Karlheinz Essl übernommen und der Albertina als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. Statt an der Klosterneuburger Peripherie sollte Essls Kunstsammlung fortan im Herzen Wiens zu sehen sein.
In einer Woche lädt nun auch die „Albertina modern“ zur Eröffnungsschau. Auf 2000 Quadratmetern werden unter dem Titel „The Beginning“ rund 400 Werke österreichischer Kunst nach 1945 präsentiert, darunter solche von Maria Lassnig, Erwin Wurm, Franz West oder Arnulf Rainer.
Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder hofft, dass seine Zweigstelle schon bald „zum dritt- oder viertbestbesuchten Museum“ Wiens aufsteigen könnte. Ab 2022 dürfte es allerdings Konkurrenz vom nahe gelegenen Kunstmuseum der Milliardärin Heidi Horten geben. Ähnlich erging es dem Künstlerhaus bereits um 1900, als am anderen Ende des Karlsplatzes abtrünnige Kunstvereinsmitglieder wie Gustav Klimt die Wiener Secession gründeten.
„Mit diesem Haus werde ich verbunden bleiben, solange ich lebe“, ließ Hans Peter Haselsteiner nach der Bauübergabe des generalsanierten Künstlerhauses wissen und betonte dabei die Bedeutung des hierzulande noch unterentwickelten Mäzenatentums: „Ich halte es für eine Verpflichtung von wohlhabenden Menschen, ihren Reichtum zu einem gewissen Teil für die Gesellschaft einsetzen, der sie ihren Reichtum zu verdanken haben.“ Dank erwartet sich der 76-jährige Ex-Politiker und unfreiwillige Gast im Ibiza-Video aber keinen: „Es wäre nur schön, wenn man wenigstens nicht beschimpft wird.“