Auch zu Beginn knallt und blitzt es. Die Kampfhandlung in Jerusalem, in deren Verlauf das Haus des reichen Juden Nathan in Flammen aufgeht, wird von einem Dutzend robbender Statisten in Tarnanzügen dargestellt. Auftritt Nathans Tochter Recha, offensichtlich vom Brand am Körper noch schwer gezeichnet, doch in einem langen rosa Kleid steckend, das in einen gleichfarbigen Rüschenvorhang übergeht. Die Vorhänge, die Bühnenbildnerin Anneliese Neudecker in vielen Farben vom Lusterboden schweben und damit Räume definieren lässt, prägen den Abend, der versucht, in pausenlosen 105 Minuten das Wesentliche zu erzählen und gleichzeitig zu ironisieren.

Plötner, die schon bei ihrer "Minna" vor fünf Jahren in St. Pölten auf Verfremdung und Slapstick gesetzt hatte, greift in die traditionellen Geschlechterzuschreibungen ein, um das männlich dominierte Verhandeln der von den großen Weltreligionen verursachten großen Weltprobleme aufzusprengen. Sie zieht die Rollen des Sultan Saladin und seiner Schwester Sittah zur Sultanin Sittah zusammen und ersetzt den Klosterbruder, der zur Entwirrung der religiösen wie familiären Verwicklungen eine wichtige Rolle spielt, durch eine Klosterschwester (Gunda Schanderer). Nicht das ist das Problem der Aufführung, sondern die unterschiedlichen Haltungen, mit denen gespielt wird. Denn auch hier regiert das Prinzip: Alles ist möglich.

Sebastian Hufschmidt steht als sehr kontrollierter, ruhiger Nathan über den Dingen. Sein Pokerface gerät erst dann ein wenig außer Kontrolle, als er ahnt, wer hinter dem Schwiegersohn in spe steckt, jenem jungen Tempelherrn, der Recha aus dem flammenden Inferno gerettet hat. Markus Ransmayr legt diesen Soldaten Christi als tollpatschigen Rabauken an, der gar nichts kapiert und mit seinem eigenen Reim, den er sich auf die Dinge macht, alle ins Unglück zu stürzen droht. Katharina Knap, als Sultanin Sittah von Kostümbildnerin Henriette Müller in ein schickes, knallrotes Designer-Fantasiekostüm mit hohem Turban gesteckt, spielt ihre Rolle mit viel Witz und Augenzwinkern und unterläuft damit die Autorität ihres Amtes, die Klaus Müller-Beck als Patriarch ganz herkömmlich und unbarmherzig ausspielt ("Der Jude wird verbrannt"). Auch Theresa Palfi als Recha und Katharina Hofmann als verblendete Christin Daja in einem Kostüm, als befinde man sich nicht in Jerusalem, sondern in Ascot, bleiben dem traditionellen Rollenverständnis verhaftet. Da passt vieles nicht zusammen.

Die verwickelte Vorgeschichte in dieser gekürzten Version halbwegs unfallfrei nachzuerzählen, ist nicht ganz einfach, aber gelingt. Doch darauf konzentriert, dem arg moralisierenden Stück das Gravitätische und Pathetische auszutreiben, scheitert Plötner dabei, die Aktualität der verhandelten Gedanken zu betonen. Erst am Ende stellt sie auf überraschende Weise doch die Toleranzfrage. Die Antwort wird mit einem Revolver gegeben. Sie fällt nicht erfreulich aus.